Einsatzbefehl! Bundespolizei soll mit „großer Stärke“ an Grenze auffahren

Wenige Stunden nach seinem Amtsantritt als Bundesinnenminister hat Alexander Dobrindt entschieden, dass künftig auch Asylsuchende an den Landgrenzen zurückgewiesen werden können. Eine mündliche Weisung aus dem Jahr 2015, die dem entgegenstand, werde er zurücknehmen, sagte der CSU-Politiker. Gleichzeitig kündigte er eine Erhöhung der Zahl der Bundespolizisten an den Grenzen an.

Bereits zuvor hat sich die Bundespolizei auf intensive Grenzkontrollen eingestellt. Nach Informationen von FOCUS online hatet das Bundespolizei-Präsidium am Mittwochvormittag die Beamten in einem mündlichen Einsatzbefehl darüber informiert, mit „großer Stärke“ an der Grenze präsent zu sein. Die Bereitschaftspolizei soll demnach aufgestockt werden und mobile Unterstützungseinheiten ergänzend zum Einsatz kommen.

„Geht nicht darum, dass wir morgen anfangen“

„Es geht darum, dass wir Stück für Stück die Möglichkeiten ergreifen, mehr zurückweisen zu können“, sagte Dobrindt. „Es geht jetzt nicht darum, dass wir morgen anfangen, alle im vollen Umfang zurückzuweisen, sondern es geht darum, dass wir Stück für Stück dafür sorgen, dass die Überforderung geringer wird, dass wir die Zahlen reduzieren – und dass wir ein deutliches Signal in die Welt und nach Europa geben, dass sich die Politik in Deutschland geändert hat.“ Vulnerable Gruppen, etwa Kinder oder schwangere Frauen, sollen von den Zurückweisungen ausgeschlossen sein. 
Bereits vor der Dobrindt-Ankündigung ordnete Andreas Roßkopf, Vorsitzender bei der Gewerkschaft der Polizei (GDP) für den Bezirk Bundespolizei, gegenüber FOCUS online die jüngsten Entwicklungen ein – und gibt einen Ausblick auf die bevorstehenden Änderungen.

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FOCUS online: Herr Roßkopf, die Zahl der Asylanträge ist in den vergangenen Monaten kontinuierlich gesunken. Gleichzeitig schiebt die Bundespolizei mehr Menschen ab oder weist sie an der Grenze zurück. Wie gestaltet sich die Situation aus Ihrer Sicht?

Andreas Roßkopf: Die Tendenz stimmt. Allein von 2023 auf 2024 ist die Zahl der Asylanträge um fast 100.000 zurückgegangen, und das setzt sich in den ersten Monaten dieses Jahres so fort. Wir schieben zwar mehr ab, aber wir müssten noch mehr abschieben.

Woran scheitern die Abschiebungen?

Roßkopf: Wir haben im Moment über 40.000 sogenannte unmittelbar Ausreisepflichtige, bei denen es keinen Hinderungsgrund mehr gibt, die wir unmittelbar abschieben könnten. Insgesamt sind noch über 200.000 Menschen in Deutschland ausreisepflichtig. Deshalb sind 18.000 Abschiebungen im Vorjahr zu wenig: Es sind immer noch sehr viele da, die kein Bleiberecht bei uns haben.

Was stellt das größte Problem dar?

Roßkopf: Die Pässe zu beschaffen, ist ein ganz großes und schwieriges Unterfangen. Aber auch Drittstaaten nehmen die Menschen nicht zurück, wenn die Nationalität beziehungsweise die Identität mittels des Passes nicht klar belegt ist. Das ist unser größtes Problem. 

Außerdem haben wir zu wenige Rücknahmeabkommen. Da müssten Absprachen getroffen werden, das muss die Regierung jetzt angehen. Abschiebungen scheitern oft auch an laufenden Rechtsverfahren mit aufschiebender Wirkung. Auch das soll geändert werden. Ein weiterer Punkt ist, dass die Menschen einfach untertauchen, wenn sie mitbekommen, dass die Abschiebung unmittelbar bevorsteht.

Andreas Roßkopf, Vorsitzender bei der Gewerkschaft der Polizei (GDP) für den Bezirk Bundespolizei GdP

„Muster und Vorgehensweisen der Schleuser sind uns natürlich bekannt“

Führende Unionspolitiker haben angekündigt, von Tag eins an noch stärkere Grenzkontrollen anzuordnen. Wie laufen die Kontrollen bisher ab?

Roßkopf: Die Muster und Vorgehensweisen der Schleuser sind uns natürlich bekannt. Aus den Erfahrungen und Vernehmungen der vergangenen Jahre haben wir feste Parameter für die Kontrollen. Wir haben ortsfremde Kennzeichen aus Regionen, die für Schleusungen besonders bekannt sind. Öffentliche Verkehrsmittel, auch Flixbusse, werden immer wieder auch von Menschen, die unerlaubt nach Deutschland kommen wollen, gerne genommen. 

Dadurch, dass man durch Kontrollstellen sehr langsam fahren muss, wird eine ganz kurze Inaugenscheinnahme des Fahrzeugs vogenommen. Daraufhin wird entschieden, ob das Fahrzeug kontrolliert wird. Für die Kontrolle des Güterverkehrs haben wir schon technische Hilfsmittel. So erkennen wir schneller, ob sich auf der Ladefläche Personen befinden könnten. 

Als Grenzpolizisten lernen wir von der Pike auf Grenzkontrollen und haben die Erfahrung, einen Berufspendler aus der Region schnell zu erkennen. Unsere Kollegen sind sehr professionell, auch im Umgang mit der Selektion.

Haben sich die jüngsten Verschärfungen unter der Ampelregierung bewährt?

Roßkopf: Man muss festhalten, dass die eingeführten Grenzkontrollen an allen Binnengrenzen Deutschlands bisher sehr erfolgreich waren. Wir sehen das an den Feststellungszahlen und den jetzt schon stattfindenden Zurückweisungen. Die Union hat jetzt angestoßen, die Grenzkontrollen noch einmal zu intensivieren. 

Das heißt: Schleierfahndung und Grenzstreifen noch einmal zu intensivieren. Aber die Union möchte ja noch einen Schritt weiter gehen. Denn sie möchte auch Asylsuchende an der Grenze zurückweisen. Das war bisher nicht möglich. Nach europäischem Recht müssen alle asylsuchenden Menschen bei uns an das zuständige BAMF oder Ausländeramt verwiesen werden. Die prüfen dann, ob das Asylgesuch berechtigt ist.

„Wir können asylsuchende Menschen an unseren Binnengrenzen wieder in das Land zurückschicken, aus dem sie gerade kommen“

Was könnte eine Intensivierung noch bewirken?

Roßkopf: Bisher hat die Bundespolizei an der Grenze nur Menschen zurückgewiesen, die entweder keinen expliziten Asylwunsch ausgedrückt haben oder die eine Wiedereinreisesperre hatten. Die Bundespolizei hat 2024 rund 84.000 unerlaubte Einreisen festgestellt. Wobei die Masse reinkommt und einen Asylantrag stellt, ohne dass sie durch die Bundespolizei festgestellt worden ist. Deswegen ist es jetzt auch das Ziel der Union, die Grenzkontrollen noch weiter zu intensivieren.

Ein neuer Rekord an der Grenze

Von Januar bis März 2025 zählte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 36.000 Asyl-Erstanträge, davon 4500 von in Deutschland geborenen Kindern. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sank die Zahl der Anträge um 44,8 Prozent. Gleichzeitig zeigten die von der Ampel-Regierung eingeführten Grenzkontrollen Wirkung: Mehr als 47.000 Menschen wurden im vergangenen Jahr an der Grenze zurückgewiesen - ein neuer Rekord. 20.000 Abschiebungen bedeuten zudem den höchsten Wert seit 2019.

Sie möchte, dass wir vom europäischen Recht abweichen und auf nationales Recht umschwenken. Da ist der Sachverhalt anders: Das deutsche Recht sagt, dass wir an unseren Binnengrenzen von lauter sicheren Drittstaaten umgeben sind. Deshalb können wir auch asylsuchende Menschen an unseren Binnengrenzen wieder in das Land zurückschicken, aus dem sie gerade kommen. 

Sie haben dort die Möglichkeit, ein geordnetes Asylverfahren zu durchlaufen. Juristen streiten jetzt darüber, ob das möglich ist oder nicht. Das europäische Recht ist der große Knackpunkt, der dann vielleicht ab Mittwoch zum Tragen kommt. Was passiert, wenn wir nach unserem nationalen Recht alle Menschen, die nicht einreiseberechtigt sind, zurückweisen und die Österreicher, Tschechen oder Polen sie nicht zurücknehmen wollen?

Im Koalitionsvertrag steht, dass die Zurückweisungen in Absprache mit den Nachbarländern geschehen sollen. In den vergangenen Tagen konnten wir aber lesen, dass Österreich, Tschechien und auch Polen mit diesen Maßnahmen nicht einverstanden sind. Darum haben wir als GdP Bedenken, dass wir in eine problematische Situation kommen, wenn das nicht bis Mittwoch zweifelsfrei geklärt ist.

Welche Erwartungen haben Sie an die kommende Bundesregierung?

Roßkopf: Wir fordern in letzter Konsequenz, dass unsere Kolleginnen und Kollegen an der Grenze rechtssicher arbeiten können und nicht an einem Ping-Pong-Spiel mit Menschen beteiligt werden. Wir erwarten außerdem, dass die Bundespolizei jetzt umgehend zu einer modernen Fahndungs- und Grenzpolizei ausgebaut wird. Das ist in den letzten Jahren versäumt worden. Es fehlt jegliche mobile Kontrolltechnik, es fehlt Drohnentechnik, es fehlen moderne und flexible ausgestattete Fahndungsfahrzeuge.

„Jede Steigerung, die wir ab Mittwoch erfahren, wird ein Spagat für die Bundespolizei“

Heißt das, die Union will den zweiten Schritt vor dem ersten gehen?

Roßkopf: Im Endeffekt möchten wir, dass wir als Grenz- und Fahndungspolizei moderne Hilfsmittel wie Drohnenüberwachung, Kennzeichenerfassungstechnik, moderne und flexible Kontrollstellen erhalten. Damit wären wir dann so aufgestellt, um mit relativ wenig personellem Aufwand, hochprofessionell an der Grenze diese Überschreitungen festzustellen und diese Menschen im Grenzraum aufzugreifen und zurückweisen zu können. 

Man versucht jetzt, fehlende Technik mit Personal aus der Bereitschaftspolizei und den mobilen Einheiten zu ersetzen. Wir gehen davon aus, dass eine Steigerung in der Grenzüberwachung nur über einen sehr beschränkten Zeitraum durchführbar ist. Je nachdem, wie hoch der Personalaufwand ist, sind es nur wenige Wochen bis ein paar Monate. 

Unsere Kolleginnen und Kollegen haben natürlich arbeitszeitrechtliche Schranken. Jede Steigerung, die wir ab Mittwoch erfahren, wird ein Spagat für die Bundespolizei sein. Wir müssen dafür sorgen, dass die Arbeitsbedingungen vernünftig bleiben, dass keine dauerhafte Überlastung für die Kollegen eintritt. Wir müssen anständig, vernünftig und modern ausgestattet sein, um die Maßnahmen zu vollziehen.

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