Deutschland droht Dürresommer - Experte erklärt, wie wir unser Wasser neu denken
FOCUS online Earth: Herr Borchardt, wir hatten zuletzt im März gesprochen. Damals hatte sich schon angedeutet – etwa beim Blick auf den Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums – dass es wieder trockener werden könnte. Sie sagten damals: Wenn es im Mai und Juni ausreichend regnet, könnte sich die Lage noch entspannen. Ansonsten drohe uns im Sommer eine deutliche Dürre.
Nun liegen neue Klimavorhersagen des EU-Kopernikus-Instituts vor, und die sehen eher schlecht aus. Was erwartet uns in diesem Sommer? Wie steht es um die Böden und den Wasserhaushalt in Deutschland?
Borchardt: Ja, seit unserem letzten Gespräch im März hat sich die Situation tatsächlich in eine Richtung entwickelt, die durch ein anhaltendes Niederschlagsdefizit geprägt ist. Es gab nur Anfang Mai eine kurze Entspannung, insbesondere in Teilen von Nordrhein-Westfalen. Diese Region bis hinüber nach Nordhessen, über Thüringen und weiter bis nach Leipzig hat etwas Regen abbekommen – aber das war landesweit eine Ausnahme. Insgesamt sehen wir eine Fortsetzung der Trockenperiode, vor allem im Norden des Landes, in Mittelgebirgen wie dem Harz, in Südhessen, in Franken und Teilen Brandenburgs sind die Böden ungewöhnlich trocken.
Meteorologen warnen vor einem heißen, trockenen Sommer mit Temperaturen von 30 bis 40 Grad. Ein stabiles Hochdruckgebiet könnte Regen weitgehend verhindern – abgesehen von etwas Niederschlag Anfang Juni. Was würde das für den Wasserhaushalt in Deutschland bedeuten?
Mehr aus dem Bereich Earth
Meistgelesene Artikel der Woche
Borchardt: Wenn sich diese Prognosen bewahrheiten, droht eine anhaltende Niedrigwassersituation – vor allem in den Bächen und Flüssen. Das beobachten wir schon jetzt vielerorts. Die langanhaltende Trockenheit und nur punktuelle Regenfälle reichen nicht aus, um die Wasserstände in den Wasserläufen zu stabilisieren. Das gilt auch für zahlreiche Seen und Talsperren. Der Bodensee war in den letzten Wochen ein prominentes Beispiel.
Bleiben die Niederschläge weiter aus, speisen sich die Bäche und Flüsse zunehmend aus dem Grundwasser – also aus alten Wasserreserven. Gleichzeitig steigt bei Hitze die Verdunstung stark an, auch durch die Pflanzen. Das belastet die oberflächennahen Grundwasserspeicher erheblich.
In der Folge könnten auch die Bodenwasservorräte weiter schwinden – weil die Pflanzen weiter Photosynthese betreiben und dadurch Wasser verdunsten. Das würde zu Trockenstress, Ernteausfällen und einer weiteren Verschärfung der Lage führen.
Besorgniserregend ist zudem, dass viele Grundwasserstände – vor allem im Norden und Nordwesten – bereits unter dem langjährigen Mittel liegen und weiter sinken. Das ist ein deutliches Warnsignal: Setzt sich dieser Trend fort, drohen ernsthafte Folgen für Landwirtschaft, Ökosysteme und Wasserversorgung.
Wetterprognose Sommer 2025: Droht Deutschland eine neue Dürre?
Drohen Trinkwasserengpässe, ausgetrocknete Flüsse oder Einschränkungen beim Wasserverbrauch, etwa für Pools oder Rasenbewässerung?
Borchardt: Zunächst einmal: Bei der Trinkwasserversorgung gibt es in Deutschland noch keinen unmittelbaren Grund zur Sorge. Das liegt daran, dass wir unser Trinkwasser meist aus tiefen Grundwasserhorizonten gewinnen – oft in 80 bis 120 Metern Tiefe oder sogar noch tiefer. Diese reagieren viel träger auf klimatische Schwankungen als die oberflächennahen Grundwasserspeicher, die bereits jetzt unter Druck stehen. Auch die meisten Trinkwassertalsperren sind gut gefüllt.
Die Donau trocknet auch nicht aus?
Borchardt: Nein, das halte ich für ausgeschlossen. Die Donau hat ein riesiges Einzugsgebiet und zahlreiche wasserreiche Zuflüsse. An bestimmten Stellen, wie bei der sogenannten Donauversinkung, verschwindet sie zwar unterirdisch – das ist aber ein natürliches Phänomen. An der deutsch-österreichischen Grenze wird die Donau ganz sicher nicht trockenfallen.
Wie sieht es mit dem Rhein aus?
Borchardt: Der Rhein trocknet ebenfalls nicht aus, aber er hat bereits jetzt sehr niedrige Wasserstände. Das hat spürbare Folgen für die Binnenschifffahrt: Frachtschiffe können nur noch teilweise beladen werden, weil ihr Tiefgang sonst zu groß wäre. Wenn sich die Trockenheit fortsetzt, könnte der Frachtverkehr sogar zum Erliegen kommen.
Was wären die Folgen?
Borchardt: Die wirtschaftlichen Auswirkungen wären erheblich. Viele Lieferketten – etwa aus den Häfen in Rotterdam oder Antwerpen – sind auf die Binnenschifffahrt angewiesen. Wir haben 2018 gesehen, wie drastisch das sein kann: Damals mussten sogar Teile der nationalen Ölreserve frei gegeben werden, um die Versorgung der Menschen und Industriebetriebe mit Treibstoff in Süddeutschland sicherzustellen. Ein solches Szenario ist auch diesen Sommer nicht auszuschließen.
Die Trinkwasserversorgung in Deutschland gilt als relativ sicher – Sie haben das vorhin bereits bestätigt. Was ist aber mit der privaten Wassernutzung, etwa für Pools oder die Rasenbewässerung? Drohen hier Einschränkungen?
Borchardt: Ja, das ist durchaus möglich – vor allem in kleineren Versorgungsgebieten. Allerdings ist die Trinkwasserversorgung heute deutlich besser auf längere Trockenphasen vorbereitet als noch 2018. Versorger haben inzwischen beispielsweise regionale Verbundsysteme geschaffen, um die Wasservorräte effizienter gemeinsam nutzen zu können.
Warum trotz Trockenheit keine Panik angebracht ist
Wo in Deutschland treten denn Probleme mit der Wasserversorgung am häufigsten auf – und warum?
Borchardt: Typischerweise in ländlichen Regionen, vor allem am Rand von Versorgungsgebieten. Man kann sich das wie ein Adernetz vorstellen: Nahe den Hauptleitungen gibt es kaum Probleme, aber je weiter man sich davon entfernt, desto eher kann es zu Druckverlusten und Einschränkungen kommen.
Sind das rein technische Probleme oder fehlt in manchen Regionen wirklich das Wasser?
Borchardt: Man muss zwischen drei Formen der Knappheit unterscheiden: Erstens echte Ressourcenknappheit – also tatsächlich zu wenig verfügbares Wasser. Zweitens technische Engpässe wie zu geringe Speicher- und Pumpkapazitäten oder unzureichende Leitungsnetze. Und drittens die sogenannte Versorgungsknappheit, etwa wenn neue Bau- oder Gewerbegebiete schneller entstehen, als die Infrastruktur der Wasserverteilungsnetze mitwachsen kann.
Gibt es in Deutschland Regionen mit echter Wasserknappheit?
Borchardt: Ja, zum Beispiel in Erkner bei Berlin – dort liegt eine tatsächliche Ressourcenknappheit vor. Aber deutschlandweit ist das eher die Ausnahme. Die meisten Versorgungsprobleme sind technischer Natur.
Also besteht kein akuter Grund zur Sorge?
Borchardt: Panik ist nicht angebracht, aber ein sensibler Umgang mit Wasser ist wichtig. Gerade bei längeren Hitzewellen oder Dürreperioden ist es entscheidend, dass Wasserversorger frühzeitig kommunizieren, wenn sich eine angespannte Lage abzeichnet – ganz ohne Alarmismus, aber mit klarem Blick auf die Entwicklung. Eine „Ampel auf Gelb“ kann dann helfen, umsichtig und vorausschauend zu handeln.
Extreme Hitze und fehlender Regen: Folgen für den Wasserhaushalt
Viele Menschen fragen sich: Sollte man Wasser zuhause horten – etwa für den Fall einer Dürre?
Borchardt: Ein gewisser Wasservorrat ist grundsätzlich sinnvoll – nicht unbedingt wegen Wassermangel, sondern für den Fall technischer Ausfälle wie einem Strom-Blackout, der auch die Wasserversorgung lahmlegen könnte. Solche Notfallszenarien sollte man im Blick behalten.
Und im Alltag – was kann der Einzelne tun, um wassersparend zu leben?
Borchardt: Vor allem Gartenbesitzer können viel bewirken. Der sparsame Umgang mit Wasser ist wichtig – etwa beim Bewässern des Gartens oder bei der Nutzung von Pools. Regenwasserzisternen sind sinnvoll, aber in Dürrezeiten können sie schnell leer sein. Dann stellt sich die Frage: Wie bewässere ich meinen Garten? Das sollte man frühzeitig bedenken.
Drohen bei anhaltender Trockenheit auch Verteilungskonflikte, etwa zwischen Landwirtschaft, Golfplätzen und Privathaushalten?
Borchardt: Solche Konflikte sind nicht auszuschließen. Besonders in Regionen, in denen Grund- oder Oberflächenwasser für die Bewässerung genutzt wird, kann es zu Engpässen kommen. Die Behörden müssen hier streng kontrollieren, dass nur genehmigte Mengen entnommen werden – insbesondere, weil es auch illegale Wasserentnahmen gibt, die Bäche komplett austrocknen lassen können. In solchen Fällen muss die Wasserentnahme gestoppt werden – notfalls auch mit Ertragseinbußen in der Landwirtschaft.
Welche weiteren Sektoren sind betroffen?
Borchardt: Neben der Landwirtschaft sind auch Golfplätze, Fußballplätze und andere große Grünflächen betroffen. Dort sollte unbedingt wassersparend gearbeitet werden – z. B. nicht bei Mittagshitze oder starkem Wind bewässern, weil dabei das Wasser verdunstet, bevor es die Pflanzen erreicht. Das Bewusstsein dafür muss in allen Bereichen wachsen.
Was braucht es dafür?
Borchardt: Verantwortung. Man kann nicht überall Behördenmitarbeiter hinstellen, die jede Wasserentnahme überwachen. Daher sind Transparenz, gute Information und Bürgerbeteiligung entscheidend – damit jeder mitzieht und Wasser nicht unnötig verschwendet wird.
+++ Keine Klima-News mehr verpassen - abonnieren Sie unseren WhatsApp-Kanal +++