EU macht Klima-Ausnahme für Autobauer, Experten besorgt: „Eine Katastrophe“

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Der Schritt, der vornehmlich die europäische Autoindustrie entlasten soll, ist auch mit Kosten verbunden, geben Experten zu bedenken. Die Flexibilisierung bedeute einen Mehrausstoß von circa fünf Gramm pro Kilometer mehr CO2 bei Neufahrzeugen sowie circa 30 Megatonnen CO2-Emissionen zusätzlich bis 2030, schätzt Creutzig. Hinzu kämen Kosten „von etwa fünf Milliarden Euro an zusätzlichen Ölimporten aus zum Beispiel Saudi-Arabien, indirekt auch aus Russland und so weiter.“

Mit diesem Schritt entwickle sich die europäische Fahrzeug-Flotte „weiter in die falsche Richtung“, urteilt der schwedische Tourismus- und Mobilitätsforscher Stefan Gössling: „Mehr Masse, mehr Volumen, höhere Motorisierung.“ Dadurch werde es unwahrscheinlicher die Klimaziele zu erreichen. „Ich halte ein Szenario für wahrscheinlich, in der zum Ende der dreijährigen Periode plötzlich sehr dramatische Änderungen eintreten müssen und die Gesetzgebung dann aufgrund von Protesten in der Bevölkerung ausgesetzt wird“, sagt Gössling.

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Autos für die Nische

Vor allem die deutschen Hersteller hätten ein großes Interesse daran, weiterhin Fahrzeuge mit Verbrennermotoren zu verkaufen, sagt der Berliner Mobilitätsforscher Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Die deutschen Autobauer entwickelten „ihr Profil mehr und mehr in Richtung Luxuskarossen mit aufwendigen Benzin- und Dieselmotoren, die vorwiegend für kleine internationale Nischenmärkte vorwiegend im arabischen Raum gedacht sind“, so Knie. „Dafür ist wichtig, zumindest vorübergehend noch einen heimischen Referenzmarkt zu erhalten.“

Auch industriepolitisch sei die Entscheidung „eine Katastrophe“, sagt Knie. „Damit wird die Umstellung auf batterieelektrische Antriebe verzögert, die Trägheit der Fahrzeughersteller weiter unterstützt und wichtige Exportmärkte wie der in China und Nordamerika drohen komplett verloren zu gehen. Dies wird weitere Arbeitsplätze kosten.“

Warum Strafen drohen

Hintergrund der drohenden Strafen für die ohnehin angeschlagene Industrie sind Flottengrenzwerte, die einen Durchschnittswert an CO2-Ausstoß pro Auto erlauben. Mit Beginn des Jahres haben sich diese gesetzlichen Vorgaben verschärft. 2024 lag der Grenzwert bei 115,1 Gramm CO2 pro Kilometer, pro Fahrzeug – gemessen anhand des sogenannten WLTP-Testverfahrens. Für dieses Jahr liegt er bei 93,6 Gramm und soll 2030 auf 49,5 Gramm sinken. 

Im Schnitt aller in der EU in einem Jahr zugelassenen Fahrzeuge darf dieser Grenzwert nicht überschritten werden. Für zu viel ausgestoßenes CO2 müssen die Hersteller Strafe zahlen. Weil sich unter anderem der Absatz für E-Autos nicht so gut entwickelt hat wie früher prognostiziert wurde, könnten Autobauer die Grenzwerte deutlich überschreiten. 

Autoindustrie unter Druck 

Die vor allem für die deutsche Wirtschaft entscheidende Branche steht unter Druck. Zunehmend machen den Herstellern Firmen aus China und den USA Konkurrenz. Dort haben Unternehmen die Umstellung auf die E-Mobilität schneller geschafft. 

Hinzu kommt, dass die Autohersteller derzeit stark vom Handelskonflikt mit den USA betroffen sind. Die von US-Präsident Donald Trump ausgesprochenen Zölle auf Autos und Automobilteile von 25 Prozent waren Anfang April in Kraft getreten. 

Die Vereinigten Staaten sind für die deutsche Automobilbranche einer der wichtigsten Handelspartner: Laut Zahlen des Statistischen Bundesamts nahmen die USA mit 13,1 Prozent der Exporte so viele Pkw ab wie kein anderes Land. Fast jeder dritte Porsche und jeder sechste BMW wurde 2024 in Nordamerika verkauft, bei VW, Audi und Mercedes-Benz lag der Anteil jeweils bei 12 bis 15 Prozent.

Aber auch auf dem deutschen Markt ist die Lage angespannt. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr laut Kraftfahrt-Bundesamt rund 2,8 Millionen Autos in Deutschland neu zugelassen. Das war etwa ein Prozent weniger als im Jahr davor und rund ein Viertel weniger als 2019, dem letzten Jahr vor der Corona-Pandemie. 

Autobranche atmet auf

Der deutsche Verband der Automobilindustrie (VDA) sieht in dem Aufschub einen ersten wichtigen Schritt. „Politisches Handeln bedeutet, nicht nur Ziele zu setzen, sondern auch deren Erreichung zu ermöglichen“, sagte Verbandspräsidentin Hildegard Müller der Deutschen Presse-Agentur. Die Rahmenbedingungen in vielen Bereichen seien unzureichend, Ziele sollten grundsätzlich flexibler gestaltet werden.

Angesichts globaler Herausforderungen und der momentan schleppenden Nachfrage nach E-Autos gebe es weiteren Handlungs- und Gesprächsbedarf. Als Beispiele nannte Müller unter anderem den Ausbau der Ladeinfrastruktur, die Strompreise, die Halbleiterversorgung und die Batterieproduktion. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Standortes dürfe nicht weiter vernachlässigt werden.

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