Die SPD ist gerade dabei, ihre Wahlschlappe in einen Sieg umzumünzen
Falls es in den kommenden zwei Wochen mit der Verfassungsänderung zur Schuldenbremse klappt, hat die neue Regierung eines fast im Überfluss: Geld. Anders als die Ampel braucht Schwarz-Rot nicht an Finanzfragen zu scheitern.
Der zu erwartende Geldsegen wird sich aus drei Quellen speisen: Für die notwendige Erhöhung der Verteidigungsausgaben kann die Regierung Kredite in unbegrenzter Höhe aufnehmen.
Dazu kommen Sonderschulden, als Sondervermögen verbrämt, in Höhe von 500 Milliarden Euro. Damit lassen sich marode Straßen und Brücken sanieren und Deutschland bei der Digitalisierung – hoffentlich – auf das Niveau der Niederlande oder der skandinavischen Länder anheben.
Merz und die CDU/CSU haben ein Versprechen aufgegeben
Wenn die Verteidigungsausgaben künftig weitgehend über Schulden finanziert werden und ebenso die Investitionen in die Infrastruktur, gibt es plötzlich viel Luft im Bundeshaushalt.
Da kann man munter Geld ausgeben und dabei sogar die verbleibenden Regeln der Schuldenbremse bequem einhalten. Den Sozialdemokraten wird da schon einiges einfallen wie das Festhalten am aktuellen Rentenniveaus und der CSU – Stichwort Mütterrente – ebenfalls.
Das sieht nach einem besorgniserregenden „Weiter so“ aus. Jedenfalls haben Friedrich Merz und die CDU/CSU in der Finanzpolitik das aufgegeben, was sie vor der Wahl versprochen hatten: Erst einmal darüber nachzudenken, wie eine Billion Euro, also die 1000 Milliarden Euro an jährlichen Steuereinnahmen, effektiver eingesetzt werden können.
Außerdem lautete das Unions-Credo, die Wirtschaft müsse schnell in Gang gebracht werden, damit mit höheren Steuereinnahmen auch die notwendigen Ausgaben für die Sicherheit finanziert werden können. Erst dann wollte Merz über eine Reform der Schuldenbremse reden.
Schwarz-Rot ist aus Sicht der Union alternativlos
Vergangen, vergessen, vorüber: Die Sozialdemokraten haben der Union die Abkehr von diesem Wahlversprechen abgerungen. Man kann auch sagen: Die 16-Prozent-SPD hat der Union gezeigt, dass der Schwanz mit dem Hund wackeln kann. Schließlich ist Schwarz-Rot aus Sicht der Union alternativlos.
Wenn Merz sich von den SPD-Chefs Lars Klingbeil und Saskia Esken nicht am Nasenring durch die Manege führen lassen will, muss er in der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik auf grundlegende Änderungen drängen. Die dringend notwendige Wirtschaftswende lässt sich nicht durch Kredite erreichen. Dazu bedarf es mehr.
Wann, wenn nicht jetzt, muss alles auf den Prüfstand, auch das, was den Bürgern lieb und teuer geworden ist? Der Staat, insbesondere das Sozialsystem, hat Fett angesetzt. Da ist eine strikte Diät fällig.
Der Staat subventioniert zu viele Firmen und Branchen
Wer – aus welchen Gründen auch immer – wirklich nicht arbeiten kann, muss unverändert Anspruch auf die Solidarität derer haben, denen es besser geht. Aber in diesem Land herrschte nicht die blanke Not, als es noch kein üppiges Bürgergeld, noch keinen Bonus für in der Regel männliche Facharbeiter („Rente mit 63“) oder ein Elterngeld gab, das selbst an Familien mit sechsstelligem Jahreseinkommen ausgeschüttet wird.
Es kann in der Rentenpolitik ebenso wenig weitergehen, wie gewohnt. Wir können nicht so tun, als ließe sich das aktuelle Rentenniveau beibehalten, obwohl immer weniger Beitragszahler immer mehr Ruheständler finanzieren müssen.
Wann, wenn nicht jetzt, muss der bürokratische Aufwand, der Unternehmer von produktivem Arbeiten abhält, rigoros eingedämmt werden? Auch subventioniert der Staat zu viele Firmen und Branchen aus Gründen, die sich ökonomisch nicht rechtfertigen lassen.
Friedrich Merz weiß, dass das von ihm mit der SPD geschnürte Schuldenpaket innerhalb der eigenen Reihen auf große Skepsis stößt. Vor allem wird bemängelt, dass bisher keine Gegenleistungen der SPD erkennbar sind, weder in der Wirtschafts- und Sozialpolitik noch beim Thema Migration.
Klingbeil hat Merz gezeigt, dass er am längeren Hebel sitzt
Gerade zur Migrationswende hat Merz die vollmundigsten Ankündigungen gemacht. Schon am ersten Tag als Kanzler werde er per Richtlinienkompetenz die Grenzen dichtmachen lassen.
Diesem Vorhaben hat Klingbeil bereits eine eindeutige Absage erteilt. Solche Grenzschließungen würde seine Partei nicht mitmachen. Sie ließen sich national nicht umsetzen und seien europapolitisch unvernünftig.
Klingbeil, als Partei- und Fraktionsvorsitzender der starke Mann der SPD, tritt auf, als habe die SPD bei der Bundestagswahl alle anderen Parteien deklassiert. Dabei hat sie unter seiner Führung mit 16 Prozent den tiefsten Absturz in ihrer Geschichte erlitten.
Schon bei dem Schulden-Wumms zum Auftakt der Sondierungen hatte Klingbeil Merz gezeigt, dass er am längeren Hebel sitzt, obwohl die CDU mit 28,5 Prozent deutlich stärker ist. Da die Brandmauer zur AfD steht, kommt für die Union nur die SPD als Koalitionspartner in Frage.
Merz und Söder knicken bei der Finanzpolitik ein
Die Union zu erpressen, darin haben die Sozialdemokraten Erfahrung. Sie haben bereits 2013 und 2018 als Wahlverlierer der Merkel-CDU vieles abgetrotzt, was der Unionspolitik widersprach: Gesetzlicher Mindestlohn, Rente mit 63, ein Rentenniveau von mindestens 48 Prozent, Mietpreisbremse, Frauenquote oder Grundsicherung.
Jetzt knickten Merz und Söder bei der Finanzpolitik ein. Indem sie plötzlich die Notwendigkeit einer schuldenfinanzierten Investitionsoffensive akzeptierten, gaben sie indirekt zu, dass ihre Politik der „Schwarzen Null“ ein Fehler war.
Die SPD ist also dabei, ihre Wahlschlappe – mal wieder – in einen inhaltlichen Sieg umzumünzen. Bei der Verschuldungspolitik ist es ihr gelungen. In der für die Bürger ebenso wichtigen Migrationsfrage ist der Ausgang noch offen.
Klingbeil muss auf die SPD-Linke achten, der es aus ideologischen Gründen egal ist, dass gerade viele Kommunen an ihren Grenzen sind. Hier kann Merz keine allzu großen Abstriche an seiner Linie machen, wenn er die eigenen Wähler nicht maßlos enttäuschen und für innerparteiliche Verwerfungen sorgen will.
Bricht die Union ein weiteres Wahlversprechen?
Beim Thema illegale Zuwanderung geht es ohnehin um viel mehr als um die Frage, ob die Union ein weiteres Wahlversprechen bricht oder nicht. Denn das Erbe der Ära Merkel – das in der Flüchtlingskrise 2015 – hat zu einem beispiellosen Aufschwung der in Teilen rechtsextremen AfD geführt.
Die Verdoppelung der AfD-Stimmen auf 20,8 Prozent hat ein besseres CDU-Ergebnis verhindert und zugleich die SPD geschrumpft. Die einstige Arbeiterpartei ist am 23. Februar bei den Arbeitern wie den Angestellten hinter AfD und CDU nur auf Platz drei gelandet. Das scheint bei Klingbeil und Genossen noch nicht angekommen zu sein.
Vor der Wahl hat Merz mehrfach davor gewarnt, dass wir ohne eine klare Migrations- und Wirtschaftswende bei der Bundestagswahl 2029 „nicht mehr einen weiteren normalen Regierungswechsel erleben. Dann steht diesem Lande etwas Anderes ins Haus“.
Das „Andere“ erläuterte Merze so: 2029 werde die AfD ohne Lösung der drängenden Probleme „die stärkste Fraktion, 2033 ist die nächste Bundestagswahl. Einmal 33 reicht in Deutschland." Eine deutliche Anspielung auf die Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933.
Merz und dei CDU sind der SPD weit entgegengekommen
Klingbeil müsste Merz eigentlich beipflichten. Schließlich hat er stets behauptet, die SPD sei „das Bollwerk“ gegen die AfD, diesen Anspruch jedoch nicht einlösen können, weder bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen und erst recht nicht im Bund.
Merz und die CDU/CSU sind mit dem gigantischen Verschuldungspaket der SPD weit entgegengekommen. Klingbeil tut hingegen so, als könne die SPD mehr oder weniger den Kurs allein bestimmen.
Die SPD nimmt für sich gern in Anspruch, im Zweifelsfall ihrer staatspolitischen Verantwortung gerecht zu werden. Das kann sie jetzt beweisen – bei der Eindämmung der illegalen Migration. Wenn sie das nicht tut, wäre es ehrlicher, auf alle Bollwerk-Statements und alle Demonstrationen „gegen rechts“ zu verzichten.