Gastkommentar von Wolfgang Herles: Haltungsjournalismus und Gefallsucht schaden ARD und ZDF - sowie uns Zuschauern

Die Debatte um den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk hat von jeher Schlagseite. Um ein paar Cent mehr Gebühr wird gestritten statt um den vernachlässigten Programmauftrag. Der Grund dafür sind auch immer wieder neue Schlagzeilen über absurd hohe Spitzengehälter und Versorgungen. 

Die Chefs von WDR und ZDF verdienen mehr als der Kanzler

Das jüngste Beispiel erneut der Not leidende RBB. Ein Arbeitsgericht sprach der bereits vor neun Jahren mit 52 Jahren ausgeschiedenen ehemaligen Programmdirektorin Claudia Nothelle, die sich nicht mit Ruhm bekleckert hat, trotz hoher Abfindungen ein exorbitantes Ruhegeld zu: Und zwar monatlich 8437 Euro - obwohl sie längst als Professorin ein zusätzliches Gehalt bezieht.

Kein Einzelfall. Der Berliner Rechnungshof gab Alarm, 84 Prozent des RBB-Vermögens ist mittlerweile an Pensionszahlungen gebunden. 17 frühere Führungskräfte des Senders kassieren besonders ab: insgesamt zweieinhalb Millionen Euro pro Jahr, selbst dann, wenn sie nur für kurze Zeit ihre Chefposten ausübten und zusätzlich zur gesetzlichen Rente.

Der Schriftsteller und Journalist Wolfgang Herles (75) war jahrzehntelang im ZDF auf dem TV-Schirm, unter anderem als Leiter des Studio Bonn, aus dem er auf Betreiben des damaligen Bundeskanzlers Kohl entfernt wurde, aber auch als Talkmaster und langjähriger Leiter des Kulturmagazins "Aspekte". Er schrieb sieben gesellschaftskritische Romane sowie zahlreiche politische Sachbücher. Gerade erschien seine Autobiografie: „Gemütlich war es nie. Erinnerungen eines Skeptikers.“ 

Über die Intendantengehälter der großen Anstalten wird zu Recht viel gelästert. Die Chefs von WDR und ZDF verdienen mehr als der Bundeskanzler. Eine Deckelung wird diskutiert. Richtig. Dennoch: Maßvoller bezahlte Chefetagen garantieren kein besseres Programm. Warum sind die Anstalten in die Krise geraten? Tragen die bestbezahlten Chefs nicht dafür die Verantwortung? Und sollte sich das nicht auf den Gehaltszettel auswirken? 

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Deshalb ist mit einer reinen Neiddebatte nichts gewonnen. Der tiefere Ungerechtigkeit liegt nicht in den Spitzenvergütungen, sondern darin, dass das Führungspersonal ihr Geld nicht wert ist. 

Es sollte auch nicht von den Chefetagen auf alle Journalisten geschlossen werden. In den Anstalten herrscht eine Zweiklassengesellschaft. Schon zwischen den außertariflichen Gehältern der Führungskräfte und dem zwischen Tarifpartnern vereinbarten Gehaltsgefüge der Angestellten besteht ein ungerechtfertigtes Gefälle. 

Ungleichheit im System: Viel für oben, wenig für unten

Mit Leistung hat aber auch der Tarifvertrag nichts zu tun. In dieser Hinsicht gleichen Rundfunkanstalten Behörden. Der größte Skandal aber ist die schlechte Honorierung der freien Mitarbeiter in den Redaktionen. Während die Häuptlinge in der Regel mehr verdienen als sie verdienen, müssen die Indianer darben. Ohne sie gäbe es kein Programm. Ihnen stehen, je nach Status und Zeitvertrag, weit geringere Sozialleistungen zu. Die Honorare sind vergleichsweise bescheiden. 

Frei sind die freien Mitarbeiter ohnehin nicht. Im Gegenteil. Auch wegen ihrer oft prekären materiellen  Situation, sind sie abhängiger als das fest angestellte redaktionelle Personal. Schon aus Angst um ihre Jobs wollen und können sie es sich nicht leisten, wirklich unabhängig zu denken und zu berichten. 

Oder anders formuliert: Relativ frei ist nur der, der sich ohnehin dem verordneten Mainstream anpasst. Konformismus zahlt sich aus. Nonkonformismus ist gefährlich. Hier liegt eine der Ursachen nicht nur für die Einseitigkeit, sondern auch für die Monothonie und Langeweile des Programms. 

Gerade in dieser Hinsicht versagen die großzügig honorierten Chefetagen. Sie haben linken Haltungsjournalismus gefördert, statt zu Meinungsvielfalt und lebendige Debattenkultur ermuntert. Es herrscht Gefallsucht, die sich allein an Einschaltquoten orientiert und am woken Zeitgeist. Ihm unterwerfen sich selbst Intendanten, die auf CDU-Ticket in ihre Ämter gehievt worden sind. Wie etwa ist es zu verstehen, dass im ZDF der pöbelnde Linke Jan Böhmermann gewissermaßen unter Naturschutz steht. 

Große Show, kleines Handwerk: Warum Moderatoren oft zu viel verdienen

Der Entertainer, der sich als Investigativjournalist kostümiert und zum moralisierenden Retter der Demokratie aufspielt, darf ungestraft mit Unterstellungen Leute an den Pranger stellt, die ihm politisch nicht passen, wie den Präsidenten des des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik, Arne Schönbohm - oder jüngst den „rechten“ Blogger „clownswelt“. Rund 700.000 Euro kassiert er dafür im Jahr. In diesem Fall verletzt Intendant Norbert Himmler offensichtlich seine Aufgabe. 

Wolfgang Herles: Der ehemalige ZDF-Moderator hat ein neues Buch geschrieben. imago images/teutopress

Unabhängig von Böhmermann ist generell zu sagen: Moderatoren werden meist nicht leistungsgerecht bezahlt - sie werden überschätzt und überbezahlt. Sie sind Verkäufer einer Ware, die andere produzieren und herstellen. 

Die wahren Autoren, Rechercheure und Filmemacher hinter den Kameras sieht man nicht - und deshalb kommen sie zu kurz. Im Fernsehen ist alles, was zählt, Aufmerksamkeit. Deshalb wird Beachtung mit Bedeutung verwechselt. Dieses Missverhältnis drückt sich im Honorar aus. 

Gemessen am journalistischen Ertrag werden vor allem Talkshows und deren Gesprächsführerinnen überbewertet. Ich habe den Job lange genug gemacht und weiß, wovon ich spreche. Intellektuell ist die Moderation einer Talkshow der Kuss des Todes. Aber der Moderator steht im Rampenlicht und schließt daraus auf seine Großartigkeit. So weit er die „Show“ auch noch selbst produziert, wird er mit Gebührengeld zugeschüttet. Das ist obszön, aber nicht gerechtfertigt. 

Es wäre an der Zeit, grundsätzlich über leistungsgerechte Bezahlung im ÖRR nachzudenken. Dazu müsste erst einmal definiert werden, was Qualität im Sinne des Programmauftrags bedeutet. Das gilt für Intendanten wie für Moderatoren. Leistung soll sich lohnen. Unbedingt! Aber welche Leistung? 

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