Ex-Präsident Gauck: Deutsche mental zu schwach, um mit einem Krieg fertig zu werden
Joachim Gauck, ehemaliger Bundespräsident von 2012 bis 2017, hat in einem Interview mit dem Journalisten Philipp Sandmann, das in Washington geführt wurde, eindringlich vor der mentalen Schwäche Deutschlands im Umgang mit internationalen Konflikten gewarnt.
„Was mich besorgt, ist nicht allein die militärische Schwäche, sondern die mentale: Dass wir nicht ausreichend vorbereitet sind – nicht nur technisch, sondern emotional, moralisch, politisch. Wir brauchen eine neue Ernsthaftigkeit. Denn Russlands Krieg gegen die Ukraine ist mehr als ein regionaler Konflikt. Es ist ein Angriff auf unser Verständnis von Freiheit, Völkerrecht und Menschenwürde“, sagte Gauck.
„Wir haben keine Wahl“
Der 85-jährige Gauck, bekannt für seinen Widerstand gegen die kommunistische Herrschaft in der DDR, sieht die Notwendigkeit einer umfassenden Resilienz bei Deutschland, um als führende Sicherheitsmacht in Europa agieren zu können.
Er betont, dass die Steigerung der militärischen Kapazitäten allein nicht ausreiche. Es bedürfe einer umfassenden Vorbereitung, die weit über technische Aspekte hinausgehe. Gauck hebt hervor: „Wir werden handeln müssen. Wir haben schlicht keine andere Wahl mehr. Die westliche Allianz, die uns geschützt hat, ist seit Donald Trump nicht mehr verlässlich.“
Gauck warnt: Nicht zu nachgiebig sein
Besonders warnt Gauck vor einer zu nachgiebigen Haltung gegenüber Russland und Präsident Putin. Ohne eine klare und standhafte Haltung drohe die Gefahr einer Unterwerfung. Er fordert Deutschlands und Europas Verantwortung und Einsatz für Frieden und Freiheit: „Nur dann sind wir glaubwürdig. Nur dann schützen wir, was wir lieben.“
Mit diesen Worten macht Gauck deutlich, dass es nicht nur militärische Stärke, sondern auch moralische und emotionale Standhaftigkeit braucht, um den Herausforderungen der heutigen Zeit zu begegnen. Sein Appell richtet sich an die Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft, die Ernsthaftigkeit der Lage zu erkennen und entsprechend zu handeln.
Lindholz: Werte schützen, Russland am Gedenktag ausschließen
Bundestagsvizepräsidentin Andrea Lindholz (CSU) hat auf die Äußerungen von Joachim Gauck reagiert und dazu aufgerufen, sich entschlossen für Freiheit und Menschenwürde einzusetzen. Im Gespräch mit WELT TV betonte Lindholz, dass Angst kein guter Ratgeber sei. Vielmehr sollten die Deutschen aktiv für ihre Werte einstehen. Sie erklärte: „Angst ist ein schlechter Begleiter. Im Gegenteil: Wir sollten aktiv für unsere Werte eintreten.“
In diesem Sinne sprach sie sich dafür aus, am 8. Mai, dem Tag des offiziellen Gedenkens an das Ende des Zweiten Weltkriegs, keine Vertreter Russlands oder Belarus einzuladen. Für Lindholz ist dies ein wichtiger Schritt: „Das ist ein Teil, der dazugehört.“ Sie unterstrich, dass die Stärke Deutschlands aus der Verteidigung der eigenen Werte und der ausgeprägten Erinnerungskultur resultiere: „Wir sind ein starkes Land, wir haben eine starke Erinnerungskultur.“