SPD bleibt an der Macht - eine schmerzhafte Entscheidung steht ihr noch bevor
Die SPD macht den Weg frei für eine neue Regierung unter Bundeskanzler Friedrich Merz. Mit 84,6 Prozent stimmten die Mitglieder dem Koalitionsvertrag mit CDU und CSU zu.
Doch Euphorie für die Aufgaben mit Merz sieht anders aus, meint FOCUS-Online-Chefkorrespondent Ulrich Reitz in seiner Video-Kolumne „Reitz-Thema“.
Reitz zu SPD: „Das Ergebnis ist überzeugend, die Wahlbeteiligung nicht“
84,6 Prozent sei ein sehr gutes Ergebnis. Der SPD-Generalsekretär Matthias Miersch habe mit dieser Einordnung „völlig recht“. Zur Koalitionsbildung fehlen jetzt nur noch die SPD-Minister, damit die Partei an der Macht bleiben kann.
Allerdings weist die Abstimmung einen Schönheitsfehler auf: Die Wahlbeteiligung lag lediglich bei 56 Prozent – im Vergleich zu über 70 Prozent bei der GroKo-Abstimmung 2018.
Reitz sieht darin aber keinen Bruch: „Das Ergebnis ist überzeugend, die Wahlbeteiligung nicht.“ Aber formal sei das Quorum der SPD mit 20 Prozent weit übertroffen worden – „mehr als zweieinhalbmal so viel“.
Reitz: SPD ist keine Partei der Optimisten
Für die geringe Beteiligung macht Reitz vor allem die Unzufriedenheit innerhalb der Partei verantwortlich – eine Unzufriedenheit, die er als strukturell beschreibt:
„Die SPD ist ja 'ne Grummelpartei.“ Die Genossen seien keine „Partei der Optimisten“, sondern Menschen, „die strukturell unzufrieden sind“. Die Sozialdemokraten seien „die Nöl- und Nörgelpartei“, deren Daseinszweck darin liege, das Leben verbessern zu wollen – was ihr jedoch „niemals gelingt“. Entsprechend sei die aktuelle Beteiligung von gut 50 Prozent sogar „vergleichsweise viel“.
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Kanzler Merz für viele SPD-Mitglieder ein „Ekelpaket“
Ein weiterer Grund für die Zurückhaltung der SPD-Mitglieder sei laut Reitz der neue Kanzlerkandidat: „Die SPD muss zustimmen, dass sie ausgerechnet dieses für sie fürchterliche Ekelpaket Friedrich Merz zum Bundeskanzler wählen soll.“ Er sei „der größte Feind“ der Sozialdemokraten, ein Mann, den Olaf Scholz „am liebsten im Bundestag überhaupt nicht angeguckt hätte“. Merz’ „Sprache, Sätze, Selbstgewissheit“ sowie sein Privatflieger seien in SPD-Kreisen verhasst.
Darüber hinaus kritisiert Reitz den Umgang der SPD mit dem eigenen Wahlergebnis von 16 Prozent: Es fehle an Verantwortungsübernahme – „weder der Parteichef noch die Parteichefin, noch der Generalsekretär“ tragen Konsequenzen. Stattdessen setze die SPD auf ein „Weiter so“.
Reitz: Kein Politikwechsel in Gerechtigkeitsfragen
Auch stünden der SPD noch „die eigentlichen Wenden“ bevor. Reitz kritisiert, dass die SPD sich finanzpolitisch daraus definiere, „das Geld anderer Leute auszugeben und Schulden zu machen zulasten der jungen Generation“.
Gleichzeitig scheue sie sich, zentrale Fragen der Gerechtigkeit anzupacken – etwa bei der Rente oder beim Bürgergeld.
Reitz sieht die SPD an einem Scheideweg: „Die SPD muss sich am Ende ja entscheiden, ob sie noch Arbeiterpartei sein will in oder Prekariatspartei, also für die Verlierer der Gesellschaft oder diejenigen, die nicht mehr produktiv sein können im volkswirtschaftlichen Sinne.“