Der stille Riese VKU: Energie, Macht, Milliarden: Jetzt wollen die Stadtwerke mit Reiche Kasse machen

In der Berliner Invalidenstraße 92 haben sie die Regierungsbildung mit großem Interesse verfolgt. In unmittelbarer Nähe zum Verkehrs- und zum Wirtschaftsministerium sitzt der Verband kommunaler Unternehmen (VKU). Eine frühere Hauptgeschäftsführerin des Verbandes, die dort vor Jahren die Digitalisierung vorantrieb, ist jetzt sowohl örtlich als auch fachlich wieder in Reichweite. 

Die Ernennung von Katherina Reiche zur kommenden Wirtschaftsministerin ist für die Mitgliedsfirmen ein Glücksfall. "Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit!“ so der aktuelle Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing. 

Umsatz nahe 200 Milliarden Euro im Jahr

Kaum jemand kennt den VKU. Die sparsam zugeschnittenen Arbeitsräume in der Berliner Zentrale atmen öffentlich-rechtliche Bescheidenheit. Dabei ist der Verband einer der mächtigsten Wirtschafts- und Lobbyorganisationen Deutschlands. Er organisiert über 1590 kommunale Betriebe mit einem Umsatz von an die 200 Milliarden Euro im Jahr. 

Sein Netzwerk ist dicht und belastbar. Jeder der lokalen und regionalen Energie- und Wasserversorger und der Recyclingbetriebe hat einen guten Draht zur jeweiligen Kommune und der Landesregierung. In praktisch jedem Aufsichtsrat der Firmen sitzen Bürgermeister oder Abgeordnete. Wollten Friedrich März oder Lars Klingbeil irgendetwas gegen den VKU entscheiden, würden sie sich eine blutige Nase holen. 

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Zu Habeck einen guten Draht

Zu Noch-Vizekanzler Robert Habeck hat der aktuelle VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing (CDU) einen guten Draht, heißt es. Beide kommen aus Schleswig-Holstein, beide waren in der Landespolitik aktiv – Habeck unter anderem als Minister in der früheren rotgrünen Landesregierung, Liebing als zeitweiliger CDU-Landesvorsitzender. Dazu ist VKU-Präsident Ulf Kämpfer Oberbürgermeister von Kiel. 

Aber die landsmannschaftliche Verbundenheit dürfte in den vergangenen dreieinhalb Jahren gelitten haben. Das Wirtschaftsministerium drangsalierte Verbände zum Teil mit extrem kurzen Fristen, innerhalb derer sie zu geplanten Gesetzen Einwände äußern durften. Eine Zumutung für den VKU, der davon lebt, zu jedem Thema erst einmal die detaillierte Expertise seiner Mitgliedsunternehmen einzuholen. Dazu kam das fast missionarische Auftreten mancher Mitarbeiter, die mit Habeck neu ins Ministerium kamen. Wer direkt vom grünen Thinktank in die Exekutive wechselt, hat naturgemäß wenig Verständnis dafür, dass in der Politik manchmal eins und eins drei ergeben.  

Katherina Reiche tickt anders

CDU-Mitglied Katherina Reiche, die die Verbandsarbeit als ehemalige Insiderin aus dem Effeff kennt, tickt vollkommen anders. Sie weiß, wie wichtig den Volksparteien der Machterhalt ist. Ihre Verhandlungen mit der Energiebranche über künftige Reizthemen wie Strom- oder Gaspreise dürften weit routinierter ablaufen als die Hauruck-Aktionen eines Ministeriums unter Habeck.

Das kommt den Kommunen entgegen, die erst vor kurzem in einem Papier signalisierten, wie sie künftig heikle Projekte anpacken wollen: Unideologisch und pragmatisch. Müssen, wie bisher als staatliches Ausbauziel festgeschrieben, bis 2045 wirklich auf See 70 Gigawatt Stromerzeugung installiert werden – oder reichen nicht auch 50 GW? Und brauchen neue Solaranlagen tatsächlich eine garantierte Einspeisevergütung, wo doch die Netze jetzt schon unter dem Druck der vielen dezentralen Sonnenkraftwerke schier in die Knie gehen? 

Das deutsche Klimaziel 2045 ist unrealistisch

"Mehr als Zweidrittel der kommunalen Unternehmen halten das deutsche Klimaziel 2045 unter den geltenden Rahmenbedingungen für unrealistisch", heißt es in einer Umfrage des VKU. "Wir bekennen uns zum Ziel der Klimaneutralität", beteuert VKU-Geschäftsführer Ingbert Liebing. Man müsse aber anerkennen, "dass das Thema in der Bevölkerung an Unterstützung verloren hat". Damit die Energiewende gelinge und die Menschen weiter an sie glaubten, "müssen wir einen stärkeren Fokus auf Machbarkeit und Bezahlbarkeit legen". Deswegen sei eine Neuorientierung wichtig, hin zu geringeren Kosten und realistischen Zielen.  

Packt es der VKU richtig an, erhält er sich seinen guten Zugang zum Wirtschaftsministerium, baut ihn aus und kann  seinen Mitgliedern einen auskömmlichen Teil der neu beschlossenen Infrastruktur-Milliarden sichern. Die braucht er dringend, selbst wenn ein paar Öko-Ziele der Ampelregierung geschleift werden. Besonders teuer werden der Ausbau und die Dekarbonisierung der Fernwärme. Daran geht aber kein Weg vorbei, will Deutschland keine EU-Vorgaben verletzen. „Gut wäre es, wenn wir private Investoren an den Kosten beteiligen könnten", sagt Liebing. Wenn es nach ihm ginge, würde der die öffentliche Kreditanstalt für Wiederaufbau KfW dafür Garantien geben – dann wäre die Zinslast nicht so hoch.  "Dafür haben wir einen „Energiewendefonds“ vorgeschlagen. Ob er sich damit bei Reiche durchsetzt? 

Kommunen und ihre Stadtwerke haben teure Vorstellungen

Gemeinsame Vergangenheit hin oder her - die 51-Jährige baldige Ministerin dürfte sich keinen Illusionen darüber hingeben, wie pflegeleicht die Kommunen und ihre Stadtwerke am Ende wirklich sind. Ingbert Liebing findet das 500-Milliarden-Paket, das Union und SPD aufsetzten, nicht überdimensioniert, im Gegenteil. "Allein für die Energiewende benötigen wir bis 2030 rund 721 Milliarden Euro", sagt er. Noch etwas? Aber sicher. "Hinzu kommen 800 Milliarden Euro für die Instandhaltung und Anpassung an den Klimawandel der Wasser- und Abwasserinfrastruktur ."

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