Reitz: Wladimir Putin lädt nach und schickt doppelte Demütigung an den Westen

Wirklich gut läuft es gerade nur für einen, und der macht, was er am besten kann: Wladimir Putin lädt nach. Er schickt nicht nur neue Bomben, er schickt auch neue Forderungen. Dem angeblich mächtigsten Mann der Welt, dem Deal-Macher mit zunehmend zerbröselndem Deal, fällt dazu wenig ein.

„Ausgekontert“, urteilt Claudia Major. Einen Tag nach dem Deal, sorry, dem angeblichen „we have a deal“ Trumps: Wladimir Putin bombardiert Kiew, intensiver denn je. Donald Trump bittet ihn, das doch sein zu lassen, „Vladimir, stop it“. Nur: Warum sollte der?

Kreml-Sprecher demütigt Selenskyj doppelt

Und weshalb sollte er zufrieden sein? Sein alter Ego Dmitri Peskow fordert gleich mal die komplette Ostukraine. Nur dann werde sie schweigen, die Putin-Orgel. Und warum fordert er das? Weil es doch so in der russischen Verfassung steht. Dort steht es, weil Putin es hat hineinschreiben lassen.

Peskow demütigt damit Ukraines Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gleich doppelt. Der Ukrainer hatte gesagt, nie werde er auf die Krim verzichten. Denn die Krim stehe als ukrainisch in der ukrainischen Verfassung. Die nichts wert ist, das ist die Botschaft von Peskow. Wenn überhaupt eine Verfassung zählt, dann nur die russische.

Der zweite Teil der russischen Demütigung besteht im öffentlichen Ignorieren der Vereinbarung mit Trump, Motto: “Sieh’ mal, Selenskyj - nicht einmal auf die Amis kannst du dich verlassen.” Und es ist auch wahr.

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Putin manövriert den Westen in die Defensive

In diesem Sieben-Punkte-Plan ist weder von den zigtausenden von den Russen entführten ukrainischen Kindern die Rede – ein genozidales Kriegsverbrechen. Wenn man den Ukrainern zeigen will, dass sie kein Volk sind, keine eigene Identität haben, dann gibt es kein stärkeres Signal, als ihnen die Kinder zu rauben, um aus ihnen Russen zu machen. Trump lässt es offenkundig geschehen.

Einstweilen heißt der Sieger Putin. Der alte Geheimdienstmann und Meister-Autokrat hat den Westen sauber (oder vielmehr schmutzig) in die Defensive manövriert – nicht nur die Amerikaner, sondern Europa gleich mit.

Die russische Presse analysiert, der Westen sei gespalten, vielleicht gebe es ihn auch gar nicht mehr. Das stimmt, westliche Experten analysieren es schließlich auch nicht anders, Roderich Kiesewetter etwa. Jedenfalls, so lautet das Zwischenergebnis: Der Täter steht super da, dem Opfer wird immer übler mitgespielt. Ist die Ukraine noch im Stellungskrieg – oder schon in einer Abwehrschlacht? Vor Selenskyj baut sich – nach den Russen und nach Donald Trump, gerade auch noch eine dritte Front auf.

Bislang hat die Opposition im Kiewer Parlament still gehalten. Nun gibt es offensivere Fragen aus der Partei des früheren Präsidenten Poroschenko. Die für Selenskyj unangenehmste: Für welche amerikanische Gegenleistung sollte die Ukraine ihre wertvollen Bodenschätze an die USA geben – jetzt, da aus den USA mehr und mehr ein Gegner wird?

Trump stellt kriegsbeutelter Ukraine Ultimatum

Trump pocht auf Selenskyjs Unterschrift, es wäre ein imperialistisch-kapitalistischer Deal: Die Ukraine soll die wertvollen seltenen Erden an die Amis wegschenken, damit die den Digital-Kapitalismus befeuern können. Kein Wunder, dass Trump und Putin auf dieser Ebene so gut verstehen: Ein jeder sucht seinen Vorteil auf dem Buckel des Opfers.

Wobei Trump gerade schlechter aussieht als Putin. Was nicht sein darf. Und darum baut Trump gerade rhetorisch ein Szenario auf, damit er nicht zum Verlierer wird. „Blame game“ heißt das Spiel, das er nun angefangen hat. Trumps Sündenbock ist der aktuell Schwächste im Prestige-Kampf: Wolodymyr Selenskyj, über den Trump so lässig wie zynisch lügt, der habe den Krieg doch angefangen.

Trump stellt keineswegs dem Raketenwerfer Putin ein Ultimatum, sondern dem Raketenbeworfenen, Selenskyj. Sein Vize J.D. Vance bringt es für die Nummer Eins auf eine eingängige Formel: Verzichtet die Ukraine nicht auf Territorium, verzichten die USA auf Vermittlung. Und sind dann raus – was schnell gehen kann, sagt wiederum Trump. Der US-Präsident sagt, man habe im Kern nichts zu tun mit der Ukraine, was geostrategisch auch stimmt. Und: „Wir wollen nur helfen“. So schnell wird aus dem gescheiterten Dealmaker ein Samariter.

Und wenn sich Selenskyj nicht helfen lassen will – Pech gehabt. Trump wäre nicht Trump, würde er nicht gleich noch ein ganzes Bündel vergifteter Pfeile abschießen: Weshalb denn die Ukraine erst heute derart vehement für die Krim kämpfe – und nicht 2014, als die Halbinsel, „ohne einen Schuss“, an die Russen fiel, unter der US-Präsidentschaft von „Barack Hussein Obama“?

Der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter sieht Deutschland während der Koalitionsverhandlungen in einem außenpolitisch heiklen Machtvakuum. Rabea Gruber/dpa

Die Kanzler wechseln, Kiesewetters Argumente sind dieselben geblieben

Abschließend ein Blick auf die Deutschen. Das härteste Urteil fällt der nach Annalena Baerbock treueste Ukraine-Verteidiger – Roderich Kiesewetter. Seine Analyse lässt auch Friedrich Merz schlecht wegkommen, Kiesewetters Partei-„Freund“.

Kiesewetter hat seine Meinung nie geändert, was zur Folge hat, dass sich sein Befund, der sich in den vergangenen drei Jahren gegen den amtierenden Bundeskanzler Scholz richtet, nun gegen den kommenden Kanzler Merz zu richten droht. Die Kanzler wechseln, Kiesewetters Argumente sind dieselben geblieben.

1938. Das ist Kiesewetters Jahreszahl. 1938 war das Jahr, in dem Adolf Hitler den Westen narrte, der friedensverliebt war und die Kriegsabsicht des Autokraten einfach nicht sehen wollte. Und so sieht Kiesewetter, ein gebildeter Mann, heute „lauter Daladiers und Chamberlains“ – die rufen: „Peace in our time“. Und nicht glauben wollen, was Putin in seinen Augen plant, den Angriff auf die Nato. „Wir haben nicht den Churchill, der Europa eint.“ Das ist ein starker, ein erschreckender Satz. Der den kommenden Kanzler einschließt. „Wenn Merz es nicht tut“, gemeint ist: Europa zu einen, Deutschland an die Spitze einer Koalition der Willigen zu manövrieren, „dann scheitert Europa.“

Merz hat seine Meinung über die gefährlichste Waffe, die Deutschland hat, mehrfach geändert. Über den Taurus-Marschflugkörper hört man gerade von ihm nichts mehr.

Die Beerdigung des Papstes an diesem Samstag wird zu einem gigantischen Welt-Krisengipfel. Trump fährt hin. Merz nicht. Es heißt, er wolle nicht so weit hinten sitzen, wie es das Protokoll diktiert.

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