Später Whistleblower-Schutz: Deutschland muss 34 Millionen Euro Strafe zahlen

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Die verspätete Umsetzung der EU-Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern in nationales Recht kommt Deutschland teuer zu stehen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Bundesrepublik am Donnerstag dazu verdonnert, wegen Verstoß gegen ihre Pflichten eine Strafe in Höhe von 34 Millionen Euro an die EU zu zahlen. Die Luxemburger Richter begründen den Schritt mit der Bedeutung des von der Richtlinie geforderten hohen Schutzniveaus für Whistleblower, die Verstöße gegen das EU-Recht melden.

Union blockiert

Der EuGH kommt mit seinem Urteil in der Rechtssache C-149/23 einer Klage der EU-Kommission vom Februar 2023 nach. Die Mitgliedstaaten waren eigentlich bis Ende 2021 verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Bestimmungen der Richtlinie rechtlich zu berücksichtigen. Die Bundesregierung konnte der Kommission keinen Vollzug melden, weil sich zunächst die schwarz-rote Koalition nicht auf eine gemeinsame Linie einigte. Die SPD wollte damals, dass das Gesetz auch bei Verstößen gegen deutsches Recht greift und nicht nur in Bereichen wie Finanzdienstleistungen und Ausschreibungen, Produkt- und Lebensmittelsicherheit, Datenschutz, Umwelt sowie Gesundheit, die EU-weit geregelt sind. CDU und CSU waren dagegen.

Im Dezember 2022 beschloss der Bundestag dann – bereits verspätet – mit der Mehrheit der Ampel-Koalition einen Gesetzentwurf für einen "besseren Schutz hinweisgebender Personen". Doch rund zwei Monate später ließ der Bundesrat die Initiative auf Betreiben von CDU und CSU durchfallen. Ein "effektiver Hinweisgeberschutz" sei zwar nötig, erklärte der bayerische Justizminister Georg Eisenreich (CSU) damals. Das Gesetz gehe "aber in seiner jetzigen Fassung weit über das hinaus, was europarechtlich verlangt und sinnvoll ist". Die CDU rieb sich etwa daran, dass die Ampel Meldestellen verpflichten wollte, sich auch mit anonymen Hinweisen zu beschäftigen. Dies gehe zu weit, da nicht jeder Whistleblower Gutes im Schilde führe.

Beschwerde auch gegen Ampel-Version

Erst im Mai 2023 konnte sich das Ampelbündnis mit der CDU/CSU-Fraktion auf eine abgespeckte Version des Entwurfs einigen und diese im Bundestag beschließen. Diesmal stimmte der Bundesrat in Folge zu, sodass das Hinweisgeberschutzgesetz am 2. Juli 2023 in Kraft treten konnte. Gegenüber der ursprünglichen Fassung werden externe und interne Meldestellen damit nicht mehr dazu verpflichtet, Empfangskanäle so einzurichten, dass auch anonyme Hinweise abgegeben werden können. Anonyme Meldungen sollen aber weiterhin bearbeitet werden. Das Bußgeld für Fälle, in denen Hinweise behindert oder Repressalien ergriffen werden, beträgt maximal 50.000 Euro statt den zunächst geplanten 100.000.

Wegen verspäteter oder noch nicht erfolgter Umsetzungen der Richtlinie hat der EuGH auch Ungarn, Tschechien, Estland und Luxemburg zur Kasse gebeten. In diesen EU-Staaten fallen die Sanktionen aber moderater aus. Nur für Tschechien und Ungarn übersteigen sie mit 2,3 beziehungsweise 1,75 Millionen Euro die Millionengrenze. Estland droht neben einem Pauschalbetrag von 500.000 Euro aber ein tägliches Zwangsgeld in Höhe von 1500 Euro, falls es die Vorgaben weiterhin nicht implementiert hat.

Das Whistleblower-Netzwerk monierte schon im September 2023, dass auch das hiesige Hinweisgeberschutzgesetz noch in 12 Punkten gegen die Vorgaben der Richtlinie verstoße. Die zivilgesellschaftliche Organisation beklagte in einer Beschwerde an die Kommission etwa ein Verbot der Offenlegung unrichtiger Informationen und eine eingeschränkte Wahlfreiheit zwischen interner und externer Meldung. Zudem fehle ein Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden für Hinweisgeber. Dazu hat sich die Kommission bislang nicht geäußert.

Kommt ein Hilfsfonds für Whistleblower?

Aktuell appelliert das Netzwerk an die EU, mit den Strafgeldern den "überfälligen Unterstützungs- und Kompensationsfonds für geschädigte Whistleblower" einzurichten. Denn Schäden nähmen Hinweisgeber fast immer – beruflich oder privat, gesundheitlich oder finanziell.

Juristische Personen wie Firmen, Behörden und andere Rechtsträger mit mehr als 50 Mitarbeitern sowie alle Unternehmen aus dem Bereich der Finanzdienstleistungen müssen gemäß der EU-Vorschriften prinzipiell ein internes Hinweisgebersystem bereitstellen und einen speziellen Beauftragten als Ansprechpartner vorsehen. Ausnahmen können lediglich für Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern gemacht werden.

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