Wirbel um die AfD-Zentrale in Berlin: Schwere Vorwürfe, Millionen-Poker und ein Österreicher
Es ist eine Gegend, wo man nachts nicht ohne schusssichere Weste vor die Tür gehen sollte. Hier schlägt das Herz der AfD, in einem Gewerbegebiet, das direkt an das Märkische Viertel grenzt. Die Gegend gilt als sozialer Brennpunkt. Nur ein paar 100 Meter von der AfD-Bundeszentrale wurden Anfang April Schüsse aus einem Porsche auf eine Gruppe von Menschen abgegeben. Die Polizei ermittelt wegen versuchter Tötung. Auf einem Plakat, das an der Bushaltestelle hängt, sucht sie Zeugen.
Wittenau, im Nordwesten von Berlin. „Es ist eine furchtbare Ecke“, sagt ein bekannter AfD-Bundestagsabgeordneter. Obendrein eine, die nur schwer mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen ist. Aber bei der Wahl ihrer Immobilien konnte die Partei noch nie wählerisch sein. Als sie Ende 2022 in ein U-förmiges Bürogebäude aus den 90er-Jahren einzog, ging eine jahrelange Odyssee zu Ende. Drei Etagen, fast 2.500 Quadratmeter. Die Räume waren zu klein, die Partei investierte Geld in den Umbau. Nicht schön, aber zweckmäßig.
Doch drei Jahre später muss die Partei offenbar schon wieder ausziehen. Wie die "Bild" berichtete, hat der Eigentümer der AfD fristlos gekündigt und Räumungsklage beim Landgericht Berlin eingereicht. Dem FOCUS sagte der für Immobilien zuständige AfD-Bundesschatzmeister Carsten Hütter, er hätte von der Klage erst aus der Zeitung erfahren. „Höchst unprofessionell“ finde er solch ein Verhalten.
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AfD-Zentrale: Kaum eingezogen, gab es den ersten Brandanschlag
Glaubt man dem Eigentümer Lukas Hufnagl, dann waren Beschwerden über die Bundestagswahlparty im Februar der Grund, warum er die AfD für die Tür setzen wolle. Und dann noch die Sache mit dem Logo der Partei. Die AfD habe es nachts auf das Gebäude projiziert. Dabei sei von Anfang an verabredet gewesen, dass die Partei nach außen hin nicht Flagge zeigen dürfe.
Die Vorsicht ist begründet. Kaum war die Partei Ende 2022 in das Gebäude eingezogen, gab es den ersten Brandanschlag in der Silvesternacht. Demonstranten hatten den neuen Bewohnern signalisiert, dass sie in Wittenau nicht willkommen waren. Auch der damalige Bezirksbürgermeister Uwe Brockhausen (SPD) war darunter. Er sagt, Wittenau stehe für Weltoffenheit und Toleranz. Für Werte, die die AfD mit Füßen trete.
Vermieter: Stehe für „unsaubere Geschäfte“ nicht zur Verfügung
Die Partei schreckte das nicht ab. Nur sechs Monate später verhandelte sie mit Hufnagl über einen Kauf der Immobilie. Der "Bild" sagte er, von einem mittleren zweistelligen Millionenbetrag sei die Rede gewesen. Doch beim Vertragsabschluss im noblen China Club hätten AfD-Schatzmeister Hütter und Bundesgeschäftsführer Holger Malcomeß den Preis deutlich nach unten zu drücken versucht. Hufnagl zitiert die beiden mit den Worten, solange die AfD Mieterin sei, sei das Gebäude unverkäuflich. Der Eigentümer machte einen Rückzieher. Für „unsaubere Geschäfte“ stehe er nicht zur Verfügung.
Hütter bestätigt, dass es Verkaufsverhandlungen gegeben habe. Die Beschwerden über die Bundestagswahlparty, sagt er dem FOCUS, könne er aber nicht nachvollziehen. Da ist er nicht alleine. Fragt man Nachbarn, sagen sie, sie seien an dem Wochenende gar nicht in dem Gebäude gewesen.
Neben der Partei sitzen nur ein halbes Dutzend Firmen, die Akademie Herzkreislauf und der Deutsche Familienverband in dem Bürokomplex – nicht zu vergessen eine Anwaltskanzlei. Eine Angestellte, die in ihrer Mittagspause mit einem dicken Beagle Gassi geht, sagt, von der Wahlparty hätte sie nichts mitbekommen. An den Wochenenden werde dort nicht gearbeitet. Wie das Verhältnis zu den Mitarbeitern der AfD sei? Sie zuckt die Schultern. Klar, kenne sie viele vom Sehen. Einige würden auch grüßen. Aber sonst gebe es keinen Kontakt. „Solange die uns in Ruhe lassen, interessieren die mich nicht.“
Die Namen der Firmen stehen auf einer Tafel vor dem Eingang. Nur den der AfD sucht man vergeblich. Jalousien versperren den Blick in ihre Büroetagen. Die Eingänge werden von Videokameras überwacht. Fragt sich bloß, wie lange noch. Nein, beteuert Carsten Hütter, Angst vor einem Rauswurf habe er nicht. „Wir sind tiefenentspannt.“ Das Angebot an leeren Büroräumen sei in Berlin seit der Pandemie enorm gestiegen. „Wir haben schon Angebote von anderen Vermietern bekommen.“
In Gesprächen mit Lukas Hufnagl sei er aber auch noch. Er hoffe, dass man sich am Ende doch noch einigen könne. Ein Umzug sei nur Plan B. Der koste schließlich Geld. Nein, sagt Hütter, die AfD würde gerne in Wittenau bleiben.
Der Gegend, wo man nachts eine schussichere Weste braucht.