Gastronomen wollen Bargeld und klagen über Kartenzahlung – das steckt dahinter

Von einem Lokalverbot für Kreditkarten kann keine Rede mehr sein, aber beliebt sich die Zahlungsmittel aus Plastik nicht in deutschen Schankstuben und Restaurants. Immer häufiger werden Gäste mit Hinweisen und Appellen konfrontiert: „Kartenzahlung erst ab 20 Euro" oder "Bitte zahlen Sie bar – sonst hohe Gebühren für uns". Übersetzen lässt sich das mit: „Nur Bares ist Wahres.“

Wer bargeldlos bezahlt, gefährdet die Existenz der Gaststätte: Stimmt das wirklich?

Manche Gastronomen hängen sogar offene Klagen am Eingang oder neben der Kasse aus, wie unlängst ein Wirt in Bayern, der erklärte, bei Kartenzahlungen blieben ihm „nur 30 Prozent des Umsatzes". Die Botschaft: Wer bargeldlos bezahlt, gefährdet die Existenz der Gaststätte. Stimmt das wirklich? Oder geht es um ganz andere Motive, etwa um das Verschleiern von Einnahmen vor dem Finanzamt? Digitale Transaktionen lassen sich nachverfolgen, nicht aber Scheine oder Münzen, die über den Tresen gereicht werden.

Wer mit Vertretern von DEHOGA spricht, dem Branchenverband des deutschen Hotel- und Gaststättengewerbes, wird für den Vorwurf der „Steuervermeidung“ keine Bestätigung finden. Man steht, wen wundert’s, zu seinen Gastronomen und lässt sich allenfalls zu der Binse verleiten, dass es einzelne schwarze Schafe überall gebe – bei Taxfahrern oder dem Bäcker, die oft ebenso auf Barzahlung drängen, aber seltener ins Rampenlicht gezerrt würden, oder, akzeptiert, bei Journalisten.

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Zu den konkreten Klagen von Wirten über drastische Einkommensabschläge, die im Netz mitunter viral gehen, will man sich bei DEHOGA nicht äußern.

Dann sei unsererseits mit Fakten nachgeholfen: Behauptung wie die, bei Kartenzahlung gingen „70 % des Umsatzes verloren", sind völlig überzogen. Selbst bei Kreditkartenzahlungen bleiben dem Gastronomen üblicherweise mindestens 96 bis 98 Prozent der Rechnungssumme. Experten wie Bundesbank und Verbraucherschützer bestätigen: Kartenzahlung ist im europäischen Vergleich in Deutschland nach wie vor relativ günstig. 

Kartenzahlung: Gebühren und Tricks

Bei Zahlung mit Kreditkarten (Visa, Mastercard) werden oft 1,0 bis 2,5 Prozent des Rechnungsbetrags abgezogen. American Express verlangt eher 2,5 bis 3,5 Prozent. Deutlich günstiger ist zumeist die Girocard (ehemals EC-Karte) mit etwa 0,2 bis 0,5 Prozent.

Daneben verlangen einige Dienstleister zusätzliche Pauschalen von etwa 5 bis 15 Cent pro Transaktion – was kleine Beträge prozentual stark belastet. Bei einem Espresso für zwei Euro sind die Margen gering, so dass ein paar Prozent plus eine Transaktionsgebühr für den Einzelhändler tatsächlich ins Gewicht fallen können. 

Bei größeren Rechnungsbeträgen, etwa einem mehrgängigen Dinner für mehrere Personen samt Getränken, fallen die Abzüge hingegen kaum ins Gewicht – zwar bleibt der Prozentsatz identisch, doch bei manchen Speisen oder Getränk ist die Gewinnspanne größer. 

Und worüber die Gastronomen ungern reden: Nach Jahrzehnten der Gewöhnung an Kartenzahlung haben die meisten Einzelhändler die Gebühren längst eingepreist. Da ist dann der Kaffee eben bereits 10 oder 20 Cent teurer. Zudem gibt es ja auch positive Effekte für den Wirt: Die Fehleranfälligkeit bei der Abrechnung ist geringer, in eine digitale Kasse lässt sich schwieriger greifen als in eine Schublade mit den Bareinnahmen neben dem Zapfhahn und Überfälle lohnen sich weniger.

Dass Bargeldzahlungen vor dem Finanzamt verschleiert werden, sollte 2020 durch die Einführung der Kassensicherungsverordnung, kurz: KassenSichV gestoppt werden. Die „Verordnung zur Bestimmung der technischen Anforderungen an elektronische Aufzeichnungssysteme im Geschäftsverkehr“ sieht seit gut fünf Jahren die Ausgabe von Papier-Bons für jede Bezahlung im Laden vor, und sei es für die Currywurst oder den Döner auf die Hand. Doch das Gesetz wird nicht immer umgesetzt. Auch darum will der Gesetzgeber die Kontrollen effizienter machen.

Bargeld bleibt König – noch

Dennoch: Bislang gibt es in Deutschland keine Pflicht, Kartenzahlung zu akzeptieren. Daher ist es jedem Gastronom und Einzelhändler grundsätzlich erlaubt, auf die Zahlung mit Bargeld zu bestehen oder Kartenzahlung erst ab einem bestimmten Betrag anzunehmen. Jeder Gastronom oder Einzelhändler kann das im Rahmen der Vertragsfreiheit in den Geschäftsbedingungen frei festlegen. 

Allerdings muss er den Kunden vorab darauf hinweisen, etwa in Form eines Aushangs an der Tür, dass nur bestimmte oder gar keine Plastikkarten akzeptiert werden. Und: Händlern ist es seit 2018 verboten, im Privatkundengeschäft Zusatzgebühren für Kartenzahlungen zu verlangen. Wer 50 Cent oder 1 Euro auf die Rechnung des Privatkunden aufschlägt, falls mit Plastik gezahlt wird, verstößt gegen § 270a BGB.

Allerdings will die künftige rot-schwarze Regierung laut Koalitionsvertrag alle Einzelhändler, darunter die Gastronomen verpflichten, neben Bargeld auch eine digitale Zahlungsmöglichkeit anzubieten – entweder Kartenzahlung oder Mobile-Payment über das Smartphone.

Lebensmittelsteuern: „Es wird Zeit, dass Deutschland nachzieht"

Darauf reagiert die Branche der Gastronomen skeptisch und verweist bei einer Anfrage von The European auf technische Schwierigkeiten: Gerade erst im September sei es zu Frequenzeinbrüchen im europäischen Stromnetz gekommen. „Was passiert, wenn plötzlich kein digitales Bezahlen möglich ist? 

„Wenn dann 20 Tische bezahlen wollen, soll dann der Gastronom seine Kunden festhalten, wenn diese gewohnheitsmäßig kein Bargeld mit sich führen?“, so der DEHOGA-Sprecher. Sinnvolle Digitalisierung sei in der Tat relevant, viele Gastronomiebetriebe seien bereits auf dem neusten Stand, auch weil ihre Gäste es erwarteten: „Aber bei einer generellen Pflicht müssen die digitale Infrastruktur, die Praktikabilität und die Konditionen der Dienstleister stimmen.“

Darum sei es „gut und richtig, dass im Koalitionsvertrag festgehalten wird, dass das Bargeld als gängige Zahlungsform erhalten wird“. Eine pauschale Verpflichtung für alle wäre hingegen „praktisch sehr herausfordernd“. Gleichwohl sei bereits heute die Kartenzahlung in der Mehrzahl der Gastronomiebetriebe gängige Praxis, so DEHOGA. 

Und an einer Stelle gibt es dann vom Verband gar ein klares Lob für den Koalitionsvertrag, nämlich dafür, dass Mehrwertsteuer auf verzehrte Mahlzeiten in der Gastronomie von 19 auf 7 Prozent gesenkt werden sollen. 

Es sei unlogisch, Lebensmittel und sogar verpackte Fertiggerichte im Supermarkt mit 7 Prozent zu besteuern und den Satz dann fast zu verdreifachen, wenn diese Waren im Restaurant „frisch zubereitet und liebevoll angerichtet werden“. Zudem werde ein solcher reduzierter Mehrwertsteuersatz für die Gastronomie bereits in 20 EU-Staaten praktiziert. „Es wird Zeit, dass Deutschland nachzieht und so, gemäß dem Koalitionsvertrag, für den 1. Januar 2026 die dauerhafte Geltung von 7 Prozent Mehrwertsteuer Gesetz wird“, sagt der DEHOGA-Sprecher.

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