TikTok statt Bankfiliale – wie Social Media die Finanzwelt verändert
Ob ETFs, Depots oder Spartipps: Finfluencer bringen komplexe Finanzthemen auf den Punkt – kompakt in Instagram-Storys, unterhaltsam in TikTok-Clips oder ausführlich in YouTube-Videos. Ihre Reichweite kann hunderttausend oder sogar Millionen Follower pro Account betragen.
Was früher am Bankschalter oder bei einem Finanzberater begann, findet heute digital statt. Doch damit wächst auch die Verantwortung: Hinsichtlich der Transparenz über ihre (professionelle) Qualifikation und der Offenlegung kommerzieller Interessen.
Zum Start der neuen Focus Online-Serie „Finanzen. Klartext. Verstanden“ hat der Finanzverband CFA Society Germany exklusiv 460 Personen, darunter Praktiker aus der Finanzbranche und Finanzstudierende, befragt: Wie wichtig sind Finfluencer bei der Vermittlung von Finanzbildung und welchen Einfluss haben sie?
Wer folgt den Finfluencern?
Fast acht von zehn Umfrageteilnehmern (78%) kennen oder folgen Finfluencern. Wenig überraschend: Vor allem aus den jungen Generationen Z (geboren zwischen 1997 und 2012) und Y (1981-1996). Finfluencer sprechen häufig eine ähnliche Sprache wie junge Anleger und holen diese auf digitalen Plattformen ab. YouTube (68%), Instagram (46%) und LinkedIn (42%) wurden von den Befragten als zentrale Anlaufstellen im Social Web genannt.
Finanz-Influencer füllen damit ein Stück weit eine Lücke, die dadurch entstanden ist, dass Finanzbildung an deutschen Schulen bislang oft nur eine untergeordnete Rolle spielt. Sie bieten zunächst einmal einen niedrigschwelligen Zugang zu den wichtigsten Geldthemen, etwas, das klassische Banken bislang nicht vermochten.
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Der Knackpunkt: Mehr als ein Drittel der Befragten (34 %), unter den Jüngeren sogar 45%, haben persönliche finanzielle Enzscheidungen bereits auf Grundlage eines Finfluencer-Beitrags getroffen. Welche Risiken sind damit verbunden? Kann man lernen, Finfluencer-Inhalte kritisch zu prüfen und trotzdem erfolgreich zu nutzen?
Hohe Followerzahl ist (k)ein Gütesiegel
Finfluencer bewegen sich oftmals in einem Spannungsfeld aus der Vermittlung von Finanzwissen und möglichen wirtschaftlichen Eigeninteressen. Wo hört etwa die Äußerung einer Meinung auf und beginnt bereits eine Finanzberatung? Und sind die Influencer überhaupt qualifiziert, Empfehlungen zu geben?
In einer ergänzenden Analyse von 110 Finfluencer-Accounts weltweit ließ sich feststellen, dass nur einer von fünf Finfluencern hinreichend darüber aufklärt, welche Ausbildung er durchlaufen hat und wie er kompensiert wird. Um Risiken einzudämmen, tun Anleger daher gut daran, Recherchen zu dieser Fachkompetenz anzustellen und mögliche Interessenkonflikte aus Vergütungs- und Provisionsstrukturen kritisch zu hinterfragen.
Wer klug investieren will, sollte sich nicht allein auf Likes oder Reichweite verlassen. Hohe Followerzahlen ersetzen keine geprüfte Fachausbildung.
Ergänzende Quellen wie Verbraucherzentralen, Aufsichtsbehörden, etablierte Wirtschaftsmedien oder zertifizierte Berater bieten eine wertvolle zweite Meinung.
Sparen mit Hashtag
Da für viele junge Menschen die Auseinandersetzung mit Geldthemen heute auf Social Media beginnt, sind Finfluencer hierfür nicht selten eine Einstiegshilfe. Zwei Drittel (66%) der befragten Marktteilnehmer gehen davon aus, dass die Bedeutung von Finfluencern in Deutschland weiter zunehmen wird. Damit wird Medienkompetenz wichtiger denn je: Nur wer Informationen einordnen und bewerten kann, wird langfristig erfolgreich am Wirtschafts- und Finanzleben teilnehmen.
Ausblick: Ein internationales Phänomen
Zwei von drei Teilnehmern der Studie (61%) wünschen sich noch klarere Regeln für Finfluencer, vergleichbar mit solchen für professionelle Finanzberater. Ein pauschales „Mehr“ an Regulierung könnte jedoch zu kurz greifen. Schließlich handelt es sich um ein länderübergreifendes Phänomen - die rechtlichen Rahmenbedingungen unterscheiden sich je nach Land teilweise erheblich. Bislang existiert international keine einheitliche Definition, was genau eine Anlageempfehlung ist. Umso wichtiger wäre es, klare Mindeststandards für Transparenz zu schaffen. Diese sollten sich auf eine Offenlegung des beruflichen Werdegangs und Finanz-Backgrounds der Akteure beziehen. Zudem muss es eine klare Kennzeichnung solcher Inhalte geben, für die ein Finfluencer von einem Auftraggeber bezahlt wird. Der Markt für diese „neue Form der Finanzschule“ wird reifer. Damit wächst auch ihre Verantwortung, denn es geht häufig um das Anvertrauen von Geldern und finanzielle Entscheidungen mit großer Tragweite.
Fazit: Finfluencer bringen Schwung in die Finanzbildung – schnell, digital und nahbar. Wichtig wird künftig sein, dass Transparenz dabei nicht auf der Strecke bleibt.
Wer sich für Details interessiert, findet unter nachstehenden Links Zusammenfassungen der aktuellen Umfrage vom April 2025 sowie der weltweiten Influencer-Befragung aus dem Jahr 2024.
Susan Spinner, CFA, ist geschäftsführende Vorstandsvorsitzende der CFA Society Germany. Schwerpunkt ihrer Verbandsarbeit sind die Themen Kapitalmarktethik und Anlegerinteressen. Sie blickt auf rund 25 Jahre Berufserfahrung in der Investmentbranche zurück.
Über die Kolumne „Finanzen. Klartext. Verstanden“
Für Privatanleger lohnt sich oftmals ein Blick darauf, wie professionelle Investoren den Markt einschätzen, mit neuen Entwicklungen der Finanzbranche umgehen und ihre Portfolien ausrichten. In dieser Kolumne schreiben Investmentexperten der CFA Society Germany alle 14 Tage für Focus Online. Der Verband setzt sich mit rund 3.000 Mitgliedern aktiv für Finanzbildung in Deutschland ein.