Pachtverträge laufen aus: Was Sie zur Erbpacht-Falle wissen müssen

Gudrun und Wilfried Schaper leben seit Jahrzehnten in ihrem Haus in Kirchrode (Hannover), doch ab 2029 könnte das Grundstück für sie unerschwinglich werden. Derzeit zahlen sie 339 Euro Pacht jährlich, ab 2029 soll diese auf 19.846 Euro steigen – ein Anstieg von 5754 Prozent. „Wie sollen wir 1653 Euro Pacht im Monat bezahlen?“, fragt das Rentnerpaar, das zusammen nur 1600 Euro Rente bezieht, wie die Bild-Zeitung berichtet.

Viele Hausbesitzer in Kirchrode sind betroffen. Dank alter Erbpachtverträge lebten sie lange günstig, doch diese laufen 2029 aus, und die Pacht wird nach den stark gestiegenen Bodenrichtwerten neu berechnet. 

Die Erbpacht-Falle - was Sie wissen müssen

Die Angst vor dem Verlust des eigenen Zuhauses betrifft nicht nur die Schapers. Mit dem Auslaufen der alten Pachtverträge stehen viele Bewohner in Deutschland vor ähnlichen Herausforderungen. Doch wie funktioniert das Erbbaurecht eigentlich genau? Wer bestimmt die neuen Pachtpreise? Und welche Möglichkeiten haben die Betroffenen, sich gegen die drastischen Erhöhungen zur Wehr zu setzen? FOCUS online gibt Ihnen einen Überblick:

Was ist die Erbbaupacht?

Die Erbbaupacht ist ein langfristiges Nutzungsrecht für ein Grundstück, bei dem der Eigentümer – häufig eine Kirche, Kommune oder Stiftung – dem Pächter erlaubt, das Land zu bebauen und zu nutzen, oft für einen Zeitraum von 99 Jahren. Im Gegenzug zahlt der Pächter einen jährlichen Erbbauzins, der in der Regel relativ niedrig und an die Inflation angepasst ist. 

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Ein besonderes Merkmal der Erbbaupacht ist, dass der Pächter zwar das Gebäude auf dem Grundstück besitzt, das Grundstück selbst jedoch im Besitz des ursprünglichen Eigentümers bleibt. Der Vertrag endet nicht automatisch nach Ablauf der vereinbarten Frist, sondern muss unter bestimmten Bedingungen verlängert oder neu verhandelt werden.

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Warum kann die Pacht erhöht werden?

Die Pacht kann erhöht werden, weil sich der Erbbauzins oft an aktuellen Marktwerten orientiert, insbesondere am Bodenrichtwert des Grundstücks. In vielen Fällen wird der Pachtzins auf Grundlage des Bodenrichtwerts für den jeweiligen Stadtteil berechnet, der regelmäßig angepasst wird. 

Dies bedeutet, dass sich die Pacht nach den Wertsteigerungen des Grundstücks richtet. In beliebten, gewachsenen Stadtteilen sind die Bodenrichtwerte in den letzten Jahrzehnten erheblich gestiegen. Ein Erbbauzins, der ursprünglich weit unter dem Marktwert lag, wird dann im Rahmen der Vertragsverlängerung angepasst – und führt oft zu einer drastischen Erhöhung.

Wie viele Menschen in Deutschland sind von Erbbaupachtverträgen betroffen?

Laut Immobilien-Verbänden werden in Deutschland etwa fünf Prozent aller Grundstücke im Erbbaurecht vergeben, demnach mehrere Hunderttausend. Besonders viele ältere Menschen leben noch in Häusern, die auf Verträgen aus den 1950er bis 1970er Jahren beruhen. Sie sehen sich nun häufig finanziellen Herausforderungen gegenüber, wenn die Pachtverträge auslaufen oder neu verhandelt werden müssen. Besonders in Regionen wie Niedersachsen, wo der Anteil an Erbbaupachtverträgen besonders hoch ist, stehen in den kommenden Jahren zahlreiche Vertragserneuerungen an.

Was passiert, wenn das Erbbaurecht ausläuft?

Wenn der Erbbaurechtsvertrag ausläuft, erlischt das Nutzungsrecht des Pächters und geht vollständig auf den Erbbaurechtgeber über. Das bedeutet, dass auch das Gebäude auf dem Grundstück in den Besitz des Eigentümers übergeht. Der Erbbaurechtgeber hat dann die Möglichkeit, dem Pächter eine Verlängerung des Vertrages anzubieten, allerdings gibt es keinen automatischen Anspruch auf eine Vertragsverlängerung. 

In den meisten Fällen wird das Erbbaurecht von Kommunen oder Kirchen vergeben, was den Pächtern relativ gute Chancen auf eine Verlängerung gibt, da diese Institutionen in der Regel weniger Interesse daran haben, die Grundstücke zu verkaufen oder selbst zu nutzen. Anders kann es bei Privatpersonen als Erbbaugebern sein, die möglicherweise eher geneigt sind, das Grundstück selbst zu veräußern oder eine andere Nutzung anzustreben.

Wie es für Gudrun und Wilfried Schaper weitergeht, bleibt unklar. Der für die Kirchroder Kirche zuständige Pastor Benjamin Simon-Hinkelmann verspricht zwar, für jeden Pachtnehmer eine individuelle Lösung zu finden, doch der finanzielle Druck bleibt hoch. Trotz der Zusage der Kirche, dass niemand wegen zu hoher Kosten ausziehen muss, bleibt die Frage, ob diese Lösung für alle tragbar ist. In den kommenden Jahren wird sich zeigen, ob die Kirche ihre Versprechen halten kann und wie es für die Schapers und viele ihrer Nachbarn weitergeht.

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