Antisoziale Persönlichkeitsstörung: Ursachen und Behandlung
Sie haben einen Arbeitskollegen, der immer wieder durch aggressive, manipulative oder kriminelle Handlungen auffällt? Vielleicht haben Sie auch im Bekanntenkreis jemanden, der ständig lügt und keine Rücksicht auf die Gefühle anderer nimmt. Solche Verhaltensmuster können auf eine antisoziale Persönlichkeitsstörung (ASP) hinweisen.
Was ist eine antisoziale Persönlichkeitsstörung?
Die antisoziale Persönlichkeitsstörung (ASP), auch dissoziale Persönlichkeitsstörung genannt, ist durch ein langfristiges Muster von Missachtung und Verletzung der Rechte anderer gekennzeichnet. Menschen mit dieser Störung handeln oft impulsiv, aggressiv und verantwortungslos. Sie neigen dazu, Normen und Gesetze zu missachten und zeigen wenig bis keine Reue für ihr Verhalten.
Ursachen der antisozialen Persönlichkeitsstörung
Genetische Faktoren
Genetische Faktoren spielen eine bedeutende Rolle bei der Entwicklung von ASP. Zwillings- und Adoptionsstudien haben gezeigt, dass die Störung häufiger bei Verwandten ersten Grades von Betroffenen auftritt.
Umweltfaktoren
Frühkindliche Traumata wie Missbrauch und Vernachlässigung sowie ein instabiler Erziehungsstil tragen ebenfalls zur Entstehung von ASP bei. Kinder, die in einem Umfeld mit hoher Gewaltbereitschaft und geringem emotionalen Bezug aufwachsen, zeigen häufiger antisoziales Verhalten im Erwachsenenalter.
Mehr aus dem Bereich Gesundheit
Meistgelesene Artikel der Woche
Neurobiologische Aspekte
Strukturelle und funktionale Abnormitäten im Gehirn, insbesondere im präfrontalen Kortex und in der Amygdala, stehen mit ASP in Verbindung. Diese Hirnbereiche sind für die Regulierung von Impulsen, Emotionen und moralischen Urteilen zuständig.
Rolle von Serotonin
Niedrige Serotoninspiegel wurden mit impulsivem und aggressivem Verhalten in Zusammenhang gebracht. Serotonin ist ein Neurotransmitter, der maßgeblich an der Regulation von Stimmung und Verhalten beteiligt ist.
Symptome der antisozialen Persönlichkeitsstörung
Menschen mit ASP zeigen eine Vielzahl von Verhaltensauffälligkeiten, die bereits in der Kindheit oder frühen Jugend beginnen können:
- Wiederholte Gesetzesverstöße: Betroffene verstoßen wiederholt gegen Gesetze und gesellschaftliche Normen.
- Täuschung und Manipulation: Sie neigen dazu, andere zu belügen, zu betrügen und zu manipulieren.
- Impulsivität: Betroffene handeln oft impulsiv und ohne vorausschauende Planung.
- Reizbarkeit und Aggressivität: Es besteht eine erhöhte Neigung zu aggressivem und gewalttätigem Verhalten.
- Verantwortungslosigkeit: Menschen mit ASP handeln oft unverantwortlich, sowohl im sozialen als auch im beruflichen Kontext.
- Mangelnde Empathie und Reue: Betroffene können das Leid anderer weder nachempfinden noch zeigen sie Schuldgefühle für schädigende Handlungen.
Diagnose der antisozialen Persönlichkeitsstörung
Die Diagnose wird von einem Psychiater oder klinischen Psychologen gestellt. Die Kriterien basieren auf dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5-TR) und der internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10). Voraussetzungen für die Diagnosestellung sind:
- Gesetzesverstöße
- Täuschung und Lügen
- Impulsivität
- Reizbarkeit und Aggressivität
- Rücksichtsloses Verhalten
- Verantwortungslosigkeit
- Mangel an Reue
Diese Merkmale müssen ab einem Alter von 18 Jahren vorhanden sein, und Hinweise auf Verhaltensstörungen müssen bereits vor dem 15. Lebensjahr erkennbar sein.
Therapie der antisozialen Persönlichkeitsstörung
Psychotherapie
Psychotherapeutische Interventionen stehen im Vordergrund der Behandlung. Besonders erfolgreich sind kognitive Verhaltenstherapie (KVT) und mentalisierungsbasierte Therapie (MBT).
- Kognitive Verhaltenstherapie (KVT): Zielt darauf ab, destruktive Denkmuster und Verhaltensweisen zu erkennen und zu verändern.
- Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT): Hilft Betroffenen, die eigenen mentalen Zustände und die anderer besser zu verstehen.
Medikamentöse Therapie
Es gibt keine spezifischen Medikamente zur Behandlung von ASP. Dennoch können bestimmte Psychopharmaka zur Linderung begleitender Symptome wie Aggressivität und Impulsivität eingesetzt werden:
- Antipsychotika: Zur Regulierung von aggressivem Verhalten
- Stimmungsstabilisierer: Wie Lithium und Valproat
- Antidepressiva: Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs)
Therapie in forensischen Einrichtungen
In Gefängnissen und anderen forensischen Einrichtungen kommen häufig strukturierte Programme wie die Demokratischen Therapeutischen Gemeinschaften (DTC) zum Einsatz. Diese Programme bieten eine Kombination aus Therapie und sozialen Aktivitäten, zur Förderung von Selbstverantwortung und sozialen Fähigkeiten.
Häufig tritt ASP in Kombination mit Substanzgebrauchsstörungen auf. Die gleichzeitige Behandlung beider Störungen ist entscheidend für den Therapieerfolg.
Auswirkungen und Prognose
ASP ist eine chronische Störung, deren Symptome meist in den frühen 20ern am stärksten ausgeprägt sind. Mit zunehmendem Alter, insbesondere ab den 40ern, können die Symptome abnehmen. Die Prognose variiert stark und hängt von mehreren Faktoren ab.
Ansprechpartner und Unterstützungsmöglichkeiten
Betroffene und deren Angehörige können sich an folgende Stellen wenden:
- Hausärzte: Für eine erste Einschätzung und Überweisung an Spezialisten
- Psychiater und Psychologen: Für Diagnostik und Therapie
- Suchtberatungsstellen: Bei gleichzeitig bestehenden Substanzgebrauchsstörungen
- Selbsthilfegruppen: Für den Austausch mit anderen Betroffenen
Krankenkassen bieten oft finanzielle Unterstützung für Therapie und Rehabilitation an. Es lohnt sich, bei der eigenen Krankenkasse nachzufragen.
Fazit: Ein ganzheitlicher Ansatz ist gefragt
Die antisoziale Persönlichkeitsstörung ist eine komplexe und schwerwiegende Störung. Eine erfolgreiche Behandlung erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, der psychotherapeutische, medikamentöse und soziale Interventionen miteinander kombiniert. Frühzeitige Diagnose und ein unterstützendes Umfeld sind entscheidend, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
Über Rebecca Schett
Rebecca Schett ist personzentrierte Psychotherapeutin in freier Praxis und arbeitet sozialarbeiterisch an der akutpsychiatrischen Abteilung der Universitätsklinik Innsbruck. Sie studierte Soziale Arbeit sowie Psychotherapie. Beide Ausbildungen schloss sie mit Auszeichnung ab. Mit ihrer Zusatzausbildung in Krisenintervention begleitet sie Menschen einfühlsam in belastenden Lebenssituationen.
Wichtiger Hinweis: Die hier bereitgestellten Informationen dienen nur zu allgemeinen Informationszwecken und ersetzen nicht die professionelle Beratung und Behandlung durch einen Arzt. Bei Verdacht auf ernsthafte gesundheitliche Probleme oder bei anhaltenden Beschwerden sollten Sie immer einen Arzt aufsuchen.