Markus Vogt: Wendepunkt der Liquidität 2.0: Die Fed wird von der Inflation in die Enge getrieben
Der Markt war noch nie so selbstbewusst wie jetzt. Die US Aktien steigen ständig auf neue Höchststände, der Nasdaq hat die Marke von 16.000 Punkten überschritten, und in den Anlageforen wimmelt es von optimistischen Stimmen, dass Technologieaktien niemals fallen würden. Doch das Bild, das ich sehe, ist ein völlig anderes, der Schatten der Inflation breitet sich rasant aus, und die Fed ist bereits in die Ecke gedrängt worden. Dies ist nicht mehr eine Phase, in der über Zinserhöhungen spekuliert wird, sondern ein Countdown bis zur Trendwende der Liquidität.

Seit die Fed im März 2020 das QE Programm wieder aufgenommen hat, dauert die weltweite Liquiditätsausweitung nun seit fast 20 Monaten an.
Historische Daten zeigen mir, dass jede Phase massiver geldpolitischer Lockerung durchschnittlich etwa 18 bis 22 Monate anhält. Mit anderen Worten: Wir befinden uns im Extrembereich dieses Liquiditätszyklus. Der Zeitzyklus ist simpel, wenn die monetäre Expansion ihren Höhepunkt erreicht, lässt die träge Aufwärtsbewegung der Vermögenspreise nach.
Der Markt wechselt dann vom Modus der Bewertungsausweitung in den Modus der Bewertungsreduktion. Die US CPI stieg im Oktober im Jahresvergleich um 6,2 % und erreichte damit ein 31 Jahres Hoch.
Rasant steigende Energiepreise, angespannte Lieferketten und zunehmender Lohndruck, das ist längst keine vorübergehende Inflation mehr, sondern ein breit angelegter Preisauftrieb.
Ein Jahr lang hat der Markt darauf vertraut, dass die Fed die Lage im Griff hat, doch inzwischen ist die Fed selbst zu einem Getriebenen geworden, der der Inflation hinterherläuft. Die geldpolitische Initiative wird der Fed gerade durch die Inflation aus der Hand genommen.
Diese Aussage wiegt schwer, wenn die Zentralbank von der Inflation in die Enge getrieben wird, ist Liquiditätsentzug keine Option mehr, sondern eine Pflichtaufgabe.
Der Dollar und die Renditen der US Staatsanleihen sind die direktesten Indikatoren, um Wendepunkte im Zyklus zu erkennen. Anfang November stieg die Rendite der zehnjährigen US Treasuries von 1,2 % auf über 1,6 %, und der Dollarindex stabilisierte sich über der Marke von 94. Diese beiden Signale zeigen, dass sich das globale Kapital bereits auf eine Straffungsphase vorbereitet.
Ein stärkerer Dollar bedeutet Kapitalrückfluss in die USA, und steigende Renditen spiegeln eine frühzeitige Einpreisung künftiger Zinserhöhungen wider.
Einfach gesagt: Die Liquidität bewegt sich vom Überfluss in Richtung Entzug.
Der Aktienmarkt hingegen feiert weiter. Nasdaq und S&P 500 erreichen ständig neue Höchststände, Teslas Marktkapitalisierung überschreitet die Billionen Grenze, und Nvidia (NVDA) führt die Euphorie im KI Sektor an. Fast alle feiern die Zukunft der Technologie, doch ich weiß, dass die Zukunft sich nicht in überhöhten Bewertungen realisiert. Das KGV des S&P 500 nähert sich den Niveaus der Internetblase im Jahr 2000. Diese Kombination aus aufgeblähten Bewertungen und steigenden Renditen kündigt meist an, dass der Zyklusgipfel naht.
Kurzfristig bleibt das Kapital zwar aktiv, aber die Risiken wachsen.
Der Boom des Marktes und die gleichzeitig schrumpfende Liquidität erzeugen eine seltene, gegenläufige Schwingung.
In dieser Phase lautet mein Rat: Liquidität halten, Hebel reduzieren, nicht hinter steigenden Kursen herlaufen. Bei Aktien sollte man Positionen in hoch bewerteten Wachstumswerten abbauen und eher auf defensive Sektoren wie Energie, Finanzen und Konsum achten. Am Anleihemarkt kann man die abflachende Zinskurve nutzen, um mittel bis langfristige Anleihen zur Absicherung aufzubauen.
Gold entwickelt sich in einer Phase eines starken Dollars meist schwächer, eine zweite Chance könnte erst kommen, wenn die Inflation ihren Höhepunkt überschritten hat. Krypto Vermögenswerte reagieren in Phasen der Liquiditätsstraffung mit stärkeren Schwankungen, daher leichte Positionen.
Das ist kein Pessimismus, sondern eine zyklische Defensive. Die Zeit wird beweisen: Die eigentliche Krise entsteht nie im Abwärtstrend, sondern im letzten Anstieg. Die Märkte beurteilen die Zukunft gern mit Emotionen, doch der Zyklus spricht nur mit Zeit.
Das, was wir 2021 erleben, erinnert mich an die US Aktienmärkte im Jahr 2007 und an den Dollar 2018.
Das Muster hat sich nie geändert, Lockerung führt unweigerlich zu Straffung, und die Gier kehrt unweigerlich zur Vernunft zurück.